Ist der Mann von neulich abend der Richtige? Planen Sie eine berufliche Veränderung und warten auf den richtigen Augenblick? Frau Helga weiß Rat. Zumindest kann sie sagen, ob die Sterne für das, was Sie vorhaben, günstig stehen. Schließlich tut sie das schon seit vielen Jahren für die Leser von Kronen Zeitung und Woman.

Die Sterne nach dem Schicksal zu befragen, das ist gar nicht so einfach. Frau Helga braucht dazu viel Ruhe, Konzentration und anscheinend auch einen Stapel mysteriöser Papiere. Zettel mit Kreisdiagrammen, Notizblöcke mit mehrfarbigen Handskizzen und dicke Bücher stapeln sich auf dem Schreibtisch, wo die wohl bekannteste Astrologin des Landes ihre Zwiesprache mit den Gestirnen hält. Sie weiß, was auf dem Spiel steht: 30 Jahre lang warteten Millionen Leser der Kronen Zeitung buchstäblich auf das Horoskop der blonden Frau mit den mitfühlenden Augen. Seit 2006 sind es die Leserinnen Seit 2006 sind es die Leserinnen von woman, die Friseurbesuche, Liebesleben und sogar berufliche Entscheidungen von den Berechnungen Helga Kuhns abhängig machen. „Das ist ganz schön viel Verantwortung“, sagt die Tierkreis-Expertin und blickt von ihrer frisch gezeichneten Radix auf. „Ich weiß von vielen Anrufern, dass man mit einem ungünstigen Horoskop die Leute für den ganzen Tag negativ programmieren kann. Aber ich kann schlechte Planeteneinflüsse ja nicht verschweigen. Deshalb schaue ich immer, ob es nicht wenigstens einen positiven Ausblick gibt.“ Ja, die Astrologie. Viele halten sie schlicht für Humbug, andere hängen mit rührender Frömmigkeit an den Offenbarungen der Himmelskörper. Nach einer Umfrage der deutschen Zeitschrift Focus sind rund 20 Prozent der Bevölkerung wahrhaft Horoskop-Gläubige; beachtliche 60 Prozent meinen, dass die Vorhersagen zumindest gelegentlich stimmen. Aber we­der die einen noch die anderen machen sich ein Bild davon, wieviel Arbeit hinter einem sorgfältig ausgearbeiteten Horoskop steckt. Helga Kuhn nimmt dafür zunächst einmal die Ephemeriden zur Hand – ein dickes Buch, dem man den jahrelangen täglichen Gebrauch ansieht. Die völlig zerfledderten Blätter mit ihren Eselsohren, Kaffeeflecken und Bleistiftmarkierungen enthalten die Positionen von Sonne, Mond, Planeten, Kometen und Fixsternen, und das auch noch für jeden Tag des Jahres. Diese Stellungen müssen in die Radix eingetragen werden – eine Kreisgrafik mit den zwölf Tierkreiszeichen. Daraus lässt sich schon einmal ablesen, wie die Planeten die Sternzeichen beeinflussen. Ein Winkel von 60 oder 120 Grad bedeutet positiven Einfluss, 90 oder 180 Grad verheißen Unbill. Natürlich geht von jedem Planeten eine völlig andere Wirkung aus: Venus steht für Liebe, Kunst und Schönheit, Jupiter für Vertrauen, Uranus für Freiheit. Wenn also Uranus in 90 Grad zum Widder steht und Venus in 120 Grad, dann werden die armen Menschen mit diesem Sternzeichen vermutlich eine Zeit durchleben, in der sie zwischen Bindung in einer Liebesbeziehung und dem Wunsch nach Unabhängigkeit schwanken. Oder so ähnlich. „Das Übersetzen der Konstellationen in alltägliche Situationen, das richtige Interpretieren, das ist die eigentliche Kunst“, meint Frau Helga und schüttelt in plötzlichem Ärger das Haar aus der Stirn: „So viele Zeitungen bringen heute Astrologieseiten, auf denen offensichtlich nur belanglose Allerweltstexte aneinandergereiht werden. Sowas merken die Leser, da gibt es einen Riesenunterschied zu einem korrekt gemachten, mit Verständnis gedeuteten Tageshoroskop.“

Aber wo um alles in der Welt hat sie das nur gelernt? Die Anfänge von Helga Kuhns Astro-Künsten liegen im Dunkel ihrer frühen Erwachsenenjahre, als die bildhübsche Wienerin in der Schweiz lebte und mit einem Piloten verheiratet war. „Eigentlich hatte ich immer Ballettänzerin werden wollen, ich war auch ziemlich talentiert, aber dann kam eben der Mann dazwischen.“ Mit der Heirat trat die Zwanzigjährige zwar in ein sorgloses Wohlstandsleben ein, aber da der Pilotengatte dauernd unterwegs war, wurde ihr bald fad. Die Freundschaft zu einem Schweizer Nachbarn, einem Astronomen, erweckte Helgas Interesse für die Sterne. Sie besuchte Seminare, las Bücher und begann, für sich und ihre Freunde Horoskope zu erstellen. Die Ehe mit dem ständig abwesenden Gatten hielt immerhin sieben Jahre, dann kehrte Helga nach Wien zurück, frisch geschieden und ohne Job. Ein guter Bekannter stellte sie Richard Nimmerrichter vor, dem legendären „Staberl“ der Kronen Zeitung, der sie wiederum dem Chefredakteur Friedrich „Bibi“ Dragon als Sekretärin empfahl. Dragon war bis zu seinem Zerwürfnis mit Krone-Eigentümer Hans Dichand einer der einflussreichsten Männer in der Führungsetage von Österreichs größter Tageszeitung. Die junge Helga landete also mehr oder weniger im Vorzimmer der Macht, nahm Anrufe von Ministern und Interventionen von Wirtschaftsbossen entgegen, regierte über den Terminkalender ihres Chefs und musste nicht selten die Klagen entnervter Redakteure über sich ergehen lassen. Doch der Aufstieg zur wahren Macht, nämlich der über die Wünsche und Sehnsüchte von drei Millionen Lesern, der passierte zufällig und nebenbei. „Die Krone hatte ein Horoskop wie jede Tageszeitung, lieblos zusammengestellt und einspaltig irgendwo im hinteren Teil versteckt“, erinnert sie sich. „Es war Hans Dichand, der mit seinem berühmten Gespür für die Bedürfnisse der Leute auf die Idee kam, das zu einem großen Blattelement zu machen.“

„Ich bin nicht esoterisch veranlagt, ich weiß sehr gut, was die Sterne können und was nicht. Man kann errechnen, ob eine Planetenkonstellation günstige Einflüsse ausübt, aber konkrete Fragen können auch die Sterne nicht beantworten.“
Helga Kuhn

Wegen ihrer Schweizer Sterne-Vergangenheit wurde sie kurzerhand damit betraut, erst auf einer halben Seite, bald auf einer ganzen. „Ich machte mir keine Vorstellungen, was ich mir da antue. Die Seite musste täglich erscheinen, ohne die geringste Ausnahme. Ich habe mich 30 Jahre lang vor jedem Urlaub gefürchtet, weil das bedeutete, dass ich zwei Nächte lang sitze, um die Texte für eine Woche im voraus zu erstellen.“ Die Krone-Sterne wurden zur weitaus meistgelesenen Kolumne im Blatt, eine treue und zugleich unerbittliche Fan-Gemeinde forderte ihren täglichen Tribut. Sie fand sogar Eingang in die Popkultur: Der Song „Ois ka Drama“ von Ostbahn-Kurti beginnt mit den Worten: „Frau Helga in da Krone/maant, um mi stehts schlecht …“ Einmal passierte es, dass die Seite durch einen Fehler der Druckerei nicht ins Blatt kam. Kuhn: „Die Proteste der Leser waren so arg, dass Dichand beschloss, die vergessene Seite am nächsten Tag nachzuliefern. Da erschien dann eben das Horoskop für heute und das von gestern.“ Der Krone-Herausgeber war sich der Bedeutung der Sterne für die Leser-Blatt-Bindung stets bewusst, auch wenn er sich selbst immer gern als Skeptiker hinstellte. „Das einzige, was mein Gewissen belastet, ist das Horoskop“, sagte er beispielsweise in der Filmdokumentation „Tag für Tag ein Boulevardstück“ und begründete diesen etwas koketten Skrupel: „Daran glaube ich nicht, aber jeden Tag bringen wir es, als ob wir daran glauben würden.“ Frau Helga lächelt: „Ja, das hat er oft gesagt. Aber bei den Vorhersagen für den Wassermann (Dichand ist am 29. Jänner geboren, Anm.) war ich trotzdem lieber vorsichtig – ich habe immer die positiven Aspekte betont.“ Die Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion nahmen die Sache jedenfalls ernst: „Ich wurde immer wieder gefragt: ,Soll ich heute mit der Frau ausgehen, die ich erobern will, ist es ein guter Tag?‘. Oder auch: ,Ich will zum Chef um eine Gehaltserhöhung, wann ist es denn günstig?‘ Da wurden immer alle möglichen Hoffnungen an mich herangetragen.“ Helga Kuhn hörte den Hilfesuchenden mit bewundernswerter Geduld zu und wies sie ab, wenn sie zuviel verlangten. „Ich bin keine Wahrsagerin, ich bin auch nicht mystisch veranlagt“, sagt sie energisch, „ich weiß sehr gut, was die Sterne können und was nicht.“ Zum Beispiel lässt sich bestimmen, ob ein bestimmter Tag für ein bestimmtes Tierkreiszeichen günstige Voraussetzungen zu geschäftlichen Erfolgen, sportlichen Siegen oder amourösen Eroberungen bietet. Aber die Frage ,Mein Mann hat mich verlassen, wird er zurückkommen?‘ können auch die Sterne nicht beantworten.“ Aber hätten sie den Tod von Lady Diana vorhersagen können oder den Tsunami von 2004? „Im Nachhinein zeigt sich immer, dass diese Tage besonders fatale Konstellationen hatten. Vor allem beim Tsunami, wo das ja nicht einen, sondern Millionen Menschen betraf. Aber selbst wenn man das sieht – wer traut sich denn schon zu Jahresbeginn sagen, dass am 26. Dezember etwas Schreckliches passieren wird?“ Immerhin: Die gegenwärtige Finanzkrise steht unübersehbar in den Sternen. Uranus und Pluto im Quadrat deuten auf finanzielle Verluste und wirtschaftlichen Abschwung hin. Und die Probe aufs Exempel lässt sich ebenfalls machen: Wenn die Astrologen Recht haben, dann wird diese unglückliche Phase bis 2014 andauern; erst dann gehen die bösen Planeten wieder andere Wege.
Die Astrologie ist die einzige unter den esoterischen Disziplinen geblieben, mit der sich Frau Helga auseinandergesetzt hat. Sie schrieb erfolgreiche Mond-Bücher, aber Kartenlegen, Handlesen, die Kraft der Steine und ähnliches hat sie nie interessiert. „Ich musste einmal eine Serie über Handlesen für die Krone machen und habe bei einem Experten recherchiert. Der schaute sich meine Lebenslinien an und meinte, ich soll mein Leben genießen, denn es wird nicht sehr lang dauern.“ Unter den Promis, die für die Story ihre Hand herzeigten, war auch Skilegende Karl Schranz – und da zeigte sich, dass dessen Linie noch kürzer war als die von Frau Kuhn. „Der ist jetzt immerhin schon 73“, schmunzelt die Skeptikerin beruhigt. „Immer, wenn ich ihn treffe, sage ich zu ihm: Ich hoffe, es geht dir gut – weil solange deine Lebenslinie reicht, tut es meine jedenfalls auch.“ Bei der Suche nach dem eigenen Lebensglück waren ihr die Sterne keine Hilfe – obwohl sie’s versucht hat. Helga Kuhn ist mit dem bekannten Sportjournalisten Michael Kuhn verheiratet, einem der Gründungsmitglieder der Krone. Die Redaktionsromanze begann denkbar unromantisch. Der Sportreporter näherte sich der jungen Kollegin mit den hölzernen Worten: „Haben Sie heute schon was vor?“ Als er sich nach den ersten Treffen ein bisschen zu lange Zeit ließ, um die zarten Bande zu festigen, schrieb Frau Helga ins Horoskop des Skorpions den Satz: „Ein Widder liebt Sie, greifen Sie zu.“ Das war aber immer noch nicht deutlich genug: „Er hat’s gar nicht gelesen. Ich musste das aus der Zeitung ausschneiden und ihm mit einem Brieflein schicken.“ Bis heute überlässt Michael die Sterne seiner Frau: „Er hat zwar aus mir einen Fußballfan gemacht, aber umgekehrt glaubt er nach wie vor nicht an Astrologie.“

Nach Jahrzehnten als Sportchef wurde Michael Kuhn 2003 zum Chefredakteur berufen, gemeinsam mit dem Sohn des Herausgebers, Christoph Dichand (der die Kronen Zeitung seit dem Tod von Vater Hans Dichand im Juni 2010 heute allein führt). Mit dem Aufstieg in die Führungsetage geriet Kuhn aber ins Feuer der Auseinandersetzung zwischen den Krone-Eigentümern Hans Dichand auf der einen und der deutschen WAZ-Gruppe auf der anderen Seite. Kuhns Bestellung war auf Wunsch der WAZ erfolgt – also erklärte ihn Dichand kurzerhand zum Feind und feuerte ihn 2006. Kuhn wurde fristlos entlassen und mit Hausverbot belegt. Die Brutalität der Vorgangsweise gegenüber einem alten Weggefährten stieß damals vielen Freunden des Hauses sauer auf – für Helga Kuhn war die Sache ein Anlass, ebenfalls bald darauf Mantel und Sternenzirkel einzupacken. Ihr Abschied löste ein Erdbeben unter der Leserschaft aus. Von den Mitarbeitern der Abo-Abteilung wird berichtet, dass sie tränenüberströmt vor der Flut erboster Abbestellungen saßen. Tagelang hätten die Leserbriefe (die eingegangenen, nicht die veröffentlichten) von kaum etwas anderem gehandelt. Seither erscheinen die Zukunftsdeutungen von Frau Helga in der Zeitschrift woman, und zwar immer gleich für eine Woche. „Das ist genauso aufwendig zu berechnen wie ein Tageshoroskop, aber man kann bei der Interpretation stärker die Entwicklungen berücksichtigen. Dadurch fallen auch negative Konstellationen nicht so dramatisch aus, weil sich ja immer was bewegt.“ Und zur großen Überraschung von Frau Helga bietet der längere Erscheinungsrhythmus plötzlich auch mehr Freizeit. Die verbringt sie entweder daheim in Sievering oder in ihrer Wohnung in Pörtschach, wo sie ihrer großen Leidenschaft frönen kann, dem Wasserskilauf. Oder sie folgt Michael zu den großen Sportereignissen, die immer auch gesellschaftliche Events darstellen: Kitzbühel, Schladming, Beach-Volleyball am Wörthersee. Abseits von Society-Auftritten kultiviert Frau Helga die Freundschaft zu einigen wenigen, ausgesuchten Lebensmenschen. Krone-Psycho-Kolumnistin Gerti Senger gehört ebenso dazu wie Milliardärin Ingrid Flick und Hotelerbin Bettina Steigenberger. Bei denen ist sich Helga aber nicht so ganz sicher, ob sie an die Sterne glauben. „Gerti fragt mich nur manchmal: Geh, mi zwickt’s heut an der Wirbelsäule, schau amal, was der Mars macht …“ Einmal, ein einziges Mal, beging Frau Helga den fatalen Fehler, sich selbst ein Horoskop zu stellen: „Das darf man nicht, man sieht dann alle Gefahren und macht womöglich grad das Falsche.“ Genau das tat sie damals, als ihre Konstellation geballtes Unglück vorhersagte: „Vollmond und Saturn und Mars – das deutete sehr stark darauf hin, dass ich an diesem Tag einen Unfall haben oder irgendeinen Schaden anrichten würde. Ich ging die ganze Zeit unkonzentriert und mit flauem Gefühl herum.“ Am Nachmittag passierte es dann: Autounfall auf der Höhenstraße. Zum Glück keine Verletzungen, aber ein kaputtes Fahrzeug. Zu Hause nahm sich Helga noch einmal die Ephemeriden vor – und stellte fest, dass die unheilvolle Planetenkonstellation mit ihrem verderblichen Einfluss gar nicht zu diesem Tag gehörte. Sie hatte sich um eine Woche geirrt.