Die Tochter: sonnig. Der Mann: stolz verliebt. Der Job: spannend.
Die Zukunft: aussichtsreich. Probleme scheint Barbara Karlich derzeit nur von den Gästen ihrer Nachmittags-Talkshow zu kennen.

Der Tag fing nicht gut an für Barbara Karlich. Beim Frühstück fiel ihr die Tasse mit dem Café Latte aus der Hand und zerbarst in tausend Scherben. Beim Versuch, die braune Flüssigkeit einzufangen, schnitt sich die TV-Talkerin an einer Scherbe, Blut mischte sich mit dem vergossenen Kaffee, und zu allem Überdruss begann auch noch das Baby wie am Spieß zu schreien. „Kurz schossen mir die Tränen in die Augen, und ich wollte mich schon auf den Boden werfen und tot stellen vor Verzweiflung.“ Doch bei der Moderatorin der unverwüstlich erfolgreichen Nachmittags-ORF-Plaudersendung dauerte dieser Reality-Moment nur kurz. Das sonnige Gemüt behielt die Oberhand. Wäre sie nicht Frontfrau, sondern Gast ihrer Talkshow, dann müsste die Sendung wohl einen Titel tragen wie „Das Leben ist schön“, oder: „Ich genieße mein Glück“. Denn nur wenige Karrierefrauen schaffen es, nach der Geburt eines Kindes Job, Familie, Partnerschaft und Freizeitleben derart problem- und nahtlos ineinander zu fügen. Seit Anfang 2008 teilt Barbara Karlich ihr Leben nicht nur mit dem Lebensgefährten Roland „Roli“ Hofbauer, sondern auch mit ihrer Tochter Gloria, voller Name Gloria Deva Estella. Der Job fordert der TV-Talkerin alle zwei Wochen drei intensive Produktionstage ab, in denen von früh bis spät eine Sendung nach der anderen aufgezeichnet wird, insgesamt neun an der Zahl. Der Rest ihrer Arbeit lässt sich am Schreibtisch erledigen, am Laptop oder Handy. Also kommt Gloria jeden zweiten Montag zu Karlichs Eltern ins Burgenland und bleibt dort zwei Tage, dann holt der Papa sie wieder ab. „Malo puze“, so wird die vier Monate alte Gloria daheim zärtlich genannt, das bedeutet „Käferchen“. Denn Barbara Karlich, die selber in ihren ersten vier Lebensjahren kein Wort Deutsch gesprochen hat, redet auch mit ihrer Tochter nur kroatisch. Gloria soll zweisprachig aufwachsen und die Kultur der kroatischen Volksgruppe, der die Mama angehört, von Klein auf erfahren. „Bei der Oma fühlt sie sich wohl, ich sehe, dass ihr dort nichts fehlt“, sagt Barbara, „nur mir tut es jedes Mal weh, wenn ich ohne sie nach Wien zurückfahre.“ Wenn die Sendungen für die nächsten zwei Wochen im Kasten sind und Gloria zurück nach Wien geholt wird, hat die Mama elf Tage vor sich, in denen sie ihren gesamten Terminkalender dem Töchterchen unterordnen kann. Ist es da ein Wunder, dass Barbara Karlich derzeit nur einen einzigen Wunsch an ihrer Karriere hat: „Natürlich reizen mich immer wieder neue Aufgaben, aber die Talkshow ist mein Medienbaby. Ich könnte sie ewig machen. Wie Oprah Winfrey in Amerika. Es macht mich auch glücklich, dass mir die Zuschauer jetzt schon so lang die Treue halten.“

Dabei hatte die heute 39jährige Burgenländerin eigentlich geplant, Ärztin zu werden. Schon als kleines Mädchen ließ sie keinen Zweifel daran, wie sehr es sie zu Stethoskop und Spritze hinzog. „Ich war im Fasching nie als Prinzessin verkleidet, immer als Frau Doktor. Im Kindergarten wollte ich immer den anderen Kindern die Zähne reißen. Es gibt eine Sandkistenfreundin, die heute noch Angst vor mir hat.“ Der Wunsch hielt bis nach der Ma- tura, als Barbara nach Wien fuhr, fest entschlossen, dort Medizin zu inskribieren. Der Anblick der tristen Mauern und die unfreundliche Atmosphäre an der zuständigen Fakultät hielten sie im letzten Moment davon ab. „Alle hochnäsig und von oben herab“, erinnert sich die verhinderte Dr. med., „ich bin sofort weg, hab ich mich weiter umgeschaut und geriet an die Publizisten. Die waren mir sehr sympathisch. Also beschloss ich, vorerst einmal Kor- respondentin zu werden.“ Als Barbara abends nach Hause kam, fragte der Vater: „Na, wie sind die angehenden Ärzte?“ Worauf sie nur den Kopf schüttelte: „Angehende Journalisten – ich hab umdisponiert.“ Die Mutter hob erleichtert die Arme und seufzte: „Gottseidank“. Das war aber noch nicht der letzte Anlauf. Karlich absolvierte im Schnelltempo die Publi- zistik, begann als Redakteurin zu arbeiten und warf sich daneben mit 25 noch einmal auf die Medizin. „Ich wollte es doch noch wissen. Vor allem das Sezieren hat mir richtig Spaß gemacht. Man braucht eine ruhige Hand, aber wenn man dann Adern und Nerven freilegt, steht man gebannt vor dem Wunder Mensch.“ Erst als sie ausgerechnet an der Physikprüfung scheiterte, ließ sie die Finger von der ärztlichen Kunst. Wobei ihre heutige Tätigkeit verblüffende Parallelen aufweist: Nachmittag für Nachmittag, dreimal die Woche, legt die Talk Show Moderatorin mit ruhiger Hand die Nerven ihrer Gäste frei. Und so manchen werden da auch vor laufender Kamera die Zähne gezogen. Die Tage der Aufzeichnung bedeuten für die Moderatorin hohen Einsatz, denn die Sendungen laufen nahezu in Echtzeit und mit echtem Publikum in die Konserve. Geschnitten wird nur bei groben Pannen. Die Optik muss von Anfang an stimmen, auch die Bewegungen und die Überleitungen. Ein Grund, weshalb sie Kontaktlinsen trägt, obwohl sie damit schon oft Schwierigkeiten hatte: „Ein ewiger Kampf, ich tu mir schon beim Einsetzen schwer, und beim Herausnehmen habe ich sie schon mehrmals zerrissen. Anfangs war ich jede Woche beim Augenarzt.“ Versuche mit Brillen haben Kameraleute und Regisseur sofort wieder ge- stoppt. „Dabei hätte ich jetzt sogar ein sehr schickes Teil, sehr auffällig in Paris-Hilton-Ro- sa. Aber der Regisseur hat gesagt, die macht eine Kante genau über meinen Augen. Ich würde richtig böse ausschauen.“ Mehr noch als die äußere Erscheinung müssen die Texte stimmen. Karlich rüstet sich für jeden Auftritt mit Fakten über das Thema und Hintergrundwissen über die Kandidaten – Informationen, die sie sofort mit dem Abspann wieder verdrängt, damit der Kopf für die nächste Runde frei wird. „Mit der Zeit habe ich mein Gedächtnis so trainiert, dass ich Dinge in mich hineinrinnen lasse wie in einen Trichter, und danach wieder hinaus“. Allerdings kann sie nicht verhindern, dass ihr Gedächtnis die Gesichter der Kandidaten unauslöschlich speichert. Karlich ist überzeugt, „dass ich alle Gäste, die je bei mir auf der Bühne waren, wiedererkennen würde, weit mehr als 1500.“ Gelegentlich kann sie das sogar beweisen, wenn nämlich ein Talkgast heimlich versucht, ein zweites Mal in die Show zu kommen – was die Redaktion strikt vermeiden will, „weil wir sonst Talkshow-Profis züchten, so wie in den USA. Leute, die bereitwillig zu jedem Thema jede beliebige Meinung vertreten, wenn sie nur vor die Kamera dürfen. Wenn ein Talkgast zweimal kommt, dann nur, weil es sich um eine Weiterentwicklung seiner Ge- schichte handelt.“ Mitunter schafft es dennoch ein Bewerber, beim Datencheck durchzurutschen. Karlich: „Aber nicht bei mir. Öfter schon habe ich mit Redakteuren gestritten und gesagt, den kenne ich, den hatten wir schon. Dann wurde noch einmal geprüft, und ich habe noch jedes Mal Recht behalten. Dafür kann ich mir Zahlen überhaupt nicht merken. Zum Glück haben unsere Gäste keine Nummern.“

Ich könnte jeden Einzelnen der über 1500 Gäste,
die je bei mir auf der Bühne waren, sofort wiedererkennen.
Barbara Karlich

Beim intensiven Studium der Gesichter ist der Plauderprofi auf ein merkwürdiges Phäno- men gestoßen: Offenbar prägt der Vorname eines Menschen seine physische Erscheinung mit. „Ein Franz hat fast immer ein typisches Franz-Gesicht, und eine Hilde ist in der Regel auch wirklich eine Hilde. Wenn ich hinausgehe auf die Bühne, dann brauche ich gar nicht zu fragen, ich sehe meistens sofort, das da kann nur die Jennifer sein, und das dort der Edi.“ Zur karlichschen Namenstheorie gehört auch eine Harmonielehre für Paare. Demnach hält eine Beziehung länger, wenn der Vorname der Frau klanglich zum Namen des Mannes passt. „Zum Beispiel habe ich immer gesagt, zu mir würde ,Bauer’ passen, Barbara Bauer. Jetzt habe ich einen Hofbauer als Mann. Meine Ex- Mann hieß Preitschopf, das konnte nicht halten.“ Klarerweise passt auch „Camilla und Charles“ besser als „Diana und Charles“, ebenso sind die Aussichten für Carla und ihren Sarkozy recht positiv. Bei Andrea Fendrich hätte das doppelte „dr“ ein Indiz für ewige Treue sein müssen, was nicht ganz klappen wollte – aber immerhin, so Karlich, „hat die Ehe ja 20 Jahre lang gehalten.“ Bei ihr selbst und ihrem Roland, da ist die lebensfrohe Burgenländerin überzeugt, passt sowieso alles, nicht nur der Name und die Sternzeichen (Steinbock und Stier). „Ich habe in meinem Leben immer wieder großes Pech gehabt, was Männer anbelangt. Umso mehr weiß ich zu schätzen, dass ich es jetzt so wunderbar getroffen habe.“ Worauf es ankommt, das ist die gemeinsame Basis, ein schwer zu be- schreibendes Gemisch aus Verständnis, gemeinsamen Interessen und übereinstimmen- den Vorstellungen für die Zukunft. „Ich hatte ja in meiner Talkshow schon hunderte Paare, die mir erzählt haben, was eine gute Beziehung ausmacht. Neben dem guten Sex und den Schmetterlingen im Bauch und der richtigen Portion Herz, Hirn und Humor läuft es immer wieder auf das eine hinaus: Kann ich in der Früh neben meinem Partner aufwachen und freue mich sofort wieder auf ihn und auf den Tag mit ihm?“ Irgendwann heuer im Sommer wollen sie heiraten – geheim, versteht sich, weil sie allzu großes Aufsehen vermeiden wollen: „Uns schwebt etwas Entspanntes vor, einfach nur chillig, keine Sitzordnung, kein Stress. Leben, Lieben, Lachen – unter Freunden und engsten Familienmitgliedern.“

Roland Hofbauer, Redakteur bei der Zeitschrift „News“, ist einer aus der gar nicht so kleinen Gruppe von Männern, die ihre Frauen ermutigen, sich dem Schlankheitswahn zu ent- ziehen. Und Barbara Karlich erfüllt den Wunsch des Mannes nach etwas üppigeren Rundungen, ständig hin- und hergerissen zwischen den divergierenden Schönheitsidealen der Freundinnen, der Öffentlichkeit und des Liebsten. „Ja, ich gebe zu, selber würde ich mir schlanker besser gefallen“, gesteht sie, „aber ich hab derzeit drei Kilo weniger als vor Beginn der Schwangerschaft, das ist doch eh super.“ Als sie kurz nach der Geburt mit einem intensiven Diät- und Sportprogramm begann, wurde Roli allerdings vorübergehen wirklich verärgert. „Wir waren spazieren, da lief eine sehr dünne Joggerin an uns vorbei. Er wurde richtig zornig und fragte: Willst du so aussehen wie die? Er liebt eben wirklich jedes Gramm an mir.“ Der Spaziergang endete im Restaurant Schimanszky in der Biberstraße – einem Lieblingslokal des Paares…
Längst hat die Vollfrau auch Modedesigner entdeckt, die wissen, wie die Vorzüge einer üp- pigen Figur ins rechte Licht gerückt werden. Elvira Kargapoltseva ist so eine: In Russland ge- hört sie mit ihrem Label Irina Vitjaz zu den Lieblingen von reichen Moskauerinnen und Sankt Petersburger Oligarchengattinnen, seit kurzem betreibt sie auch in Wien am Ste- phansplatz eine Boutique. „Elvira liebt meine Figur“, freut sich Barbara, „sie sagt, Russinnen sind in der Regel auch so gebaut, keine dürren Klappergestelle, sondern richtige Frauen mit Busen-Taille-Hintern.“ Niko Fechter, die quirlige Tochter des Karlich-Managers Herbert Fechter, beherrscht ebenfalls die Kunst, „Kleider so zu entwerfen, dass sie dir das Gefühl ge- ben, jö, das bin genau ich.“ Und Thang de Hoo vertraut sie sowieso schon seit Jahren. Das ging so weit, dass ihr der Fürnkranz-Chefdesigner und Freund sogar ein Taufkleid für Gloria zur Taufe schenkte. Beide lieben kräftige Farben, was die Moderatorin für ihre Auftritte im Fernsehen ohnehin bevorzugt. Dort, unter den Menschen, die ihr Berufsleben und ihre Karriere bestimmen, hat sie vor kurzem auch den Stoff für eine Dissertation gefunden. Soziologieprofessor Roland Girtler brachte Karlich auf die Idee, die „Alltagswelt der Talk Show Gäste“ wissenschaftlich zu untersuchen. „Ich schau mir an, was verändert sich durch den Auftritt im Leben dieser Menschen? Was bewirkt es, wenn je- mand im Fernsehen sitzt und von allen seinen Bekannten gesehen wird? Es gibt Fälle, da leben Menschen ihr Alltagsleben am Rand, sind wenig beachtet. Dann treten sie in der Talk Show auf, und plötzlich erhalten sie Bedeutung, man spricht wieder mit ihnen, auf ein- mal werden sie interessant.“ Der Effekt führt dazu, dass viele Menschen großen Ehrgeiz darin setzen, es einmal in die Sendung zu schaffen und dafür bereit sind, persönliche Probleme vor vielen tausend Zuschauern auszubreiten. Die Cheftalkerin kann das gut verstehen. Nach neun Jahren auf dem Bildschirm gehört die gebürtige Burgenländerin noch lange nicht zu jenen Promis, die privat das Rampenlicht scheuen. Entwaffnend ehrlich gibt sie vielmehr zu: „Wenn ich nicht die Karlich von der Karlich-Show wäre, würde ich auch alles tun, damit ich in eine Talk-Runde komme.“