Immer nur George Clooney und Julia Roberts, das wird auch auf die Dauer öd: Warum Elisabeth Sereda ihr Reporterleben unter den Filmdiven von Hollywood an den Nagel hängen will, warum sie trotzdem an Los Angeles hängt – und was sie über den Unterschied zwischen Stars und Promis gelernt hat.

Wenn Elisabeth Sereda morgens vor ihren hellblauen Bungalow in Venice Beach tritt, kann sie die Palmen am Boardwalk sehen. Nur ein paar Reihen niedriger Gebäude und staubbedeckter Hoteldächer trennen sie vom Pa­zifik, vom vier Kilometer langen Sandstrand und der Promenade mit ihren Rollerskatern, flanierenden Muskelmännern und Bikinigirls, dem Durcheinander von Streetballspielern, Stra­ßensängern und Gauklern. Landeinwärts erstreckt sich das Häusermeer von Los Angeles in seiner auseinanderfließenden Gleichförmigkeit. Mit dem Auto schafft es Elisabeth Sereda in knapp 20 Minuten nach Beverly Hills, zu den Villen der Stars, deren jeweilige Adressen zwar offiziell streng geheim sind, die aber jeder Taxifahrer kennt. Noch zehn Minuten weiter entfernt liegt Hollywood, der hügelige Stadtteil mit den großen Filmstudios und den Büros der Schauspieleragenten, den PR-Firmen, den Ateliers der Grafiker und Set-Designer, den Kanzleien der auf Filmverträge spezialisierten Anwälte. Zwanzig Jahre lang war dieses Reservat der Stars und Celebritys Seredas wichtigster Arbeitsplatz. Von hier berichtete sie über neue Filme und alte Affären, holte blasierte Hauptdarsteller und piepsige Nachwuchshoffnungen vors Ö3-Mikrofon. Sie interviewte bockige Starregisseure für deutsche Illustrierte, fing die aufgeregte Atmosphäre von Blockbuster-Premieren fürs Radio ein und durchschwitzte die bedeutungsschwere Langeweile der Oscar-Nacht ebenso wie das durchgeknallte Chaos der Golden-Globe-Verleihung. Bei Letzteren darf sie auch selbst mitbestimmen: Als einzige Österreicherin ist sie Mitglied der Hollywood Foreign Press Association, die diese zweitwichtigsten Kino- und Fernsehpreise der Welt jedes Jahr im Jänner vergibt. Inzwischen fällt Sereda kein Star mehr ein, den sie nicht mindestens einmal interviewt hätte, keine Kinolegende, die sie nicht getroffen hätte. Einige wenige sind so etwas wie Freunde geworden – Hilary Swank zum Beispiel oder George Clooney, mit dem die Journalistin auch in Europa Kontakt hält und der das Vorwort zu einem ihrer Bücher über die Glamourwelt des Flimmer-Business geschrieben hat. Eine Welt, von der sie längst selbst ein Teil geworden ist. Und trotzdem: Elisabeth Sereda hat genug von Hollywood, genug von ihrem Beverly-Hills-Job. Genauer gesagt: Sie hat genug von der Tratsch-und-Klatsch-Oberflächlichkeit, in die das Geschäft mit Berühmtheiten abgeglitten ist. Die Arbeit für Ö3 hat sie schon vor einiger Zeit beendet, ebenso die gelegentlichen Auftritte im österreichischen Privatsender ATV; lediglich „Live“, die Fernsehbeilage der „Kronen Zeitung“, kommt noch hin und wieder in den Genuss einer Kolumne der österreichischen Augenzeugin im Herzen der Traumfabrik. Denn das Business, wie es heute läuft, macht nur noch Ärger, findet Sereda: „Statt interessanter Geschichten über echte Stars gibt’s Paparazzibanalitäten. Da wird irgendein Starlet aus einer TV-Serie beim Eisschlecken im Café heimlich fotografiert – und das ist schon die Story! Als ich mit 21 Jahren anfing, ging es noch um Regisseure und Schauspieler und um deren Leistungen.“ Empört fügt sie hinzu: „Promis fand ich immer langweilig – ich bin in diese Branche gekommen, weil mich Film als Kunstform fasziniert hat.“ Filmreif waren freilich auch die beruflichen Anfänge der Elisabeth Sereda. Mit 21 packte die gebürtige Wienerin einen Koffer und flog mit ein paar Dollar nach Los Angeles, um dort den amerikanischen Traum zu verwirklichen. Und zwar so richtig: mit nichts beginnen, mit Gelegenheitsjobs die Miete und die Butter fürs Brot verdienen, auf die große Chance warten. Sie jobbte als Kellnerin, verkaufte Theater-Abos, werkte mit einer Theatertruppe – und erinnerte sich schließlich daran, dass sie als Teenager in Österreich schon fürs Radio gearbeitet hatte. So begann sie, Stars zu interviewen. Die große Chance wurde ihr schließlich durch den gewandelten Zeitgeist geboten. Mitte der Achtzigerjahre begannen die großen Studios gerade, Europa und Asien als Märkte zu entdecken. Plötzlich waren Interviews mit europäischen Medien gut fürs Geschäft; die quirlige junge Reporterin fand rasch Zugang zu den Großen der Leinwand. „Damit war der erste Schritt getan. Den zweiten Schritt musste ich mir hart erarbeiten, nämlich das Vertrauen der Stars und ihrer Agenten zu gewinnen.“

Im Glamourbusiness wird jeder Medienauftritt hart kalkuliert. Journalisten, die sich ein einziges Mal nicht an die Spielregeln halten oder die so dumme Fragen stellen, dass sie den Filmhelden albern aussehen lassen, kriegen keine zweite Chance. „Das ist der große Unterschied zwischen Promis, die unbedingt in den Medien vorkommen wollen, und echten Stars. Leute bei Empfängen mit der Kamera zu verfolgen und ihnen peinliche Sager in den Mund zu legen, wie das bei uns manche Fernsehmagazine machen, lassen sich nur B-Promis gefallen.“ Der Erfolg als Reporterin in Hollywood hatte einen paradoxen Nebeneffekt: Die Abnehmer ihrer Storys saßen in Europa, in Österreich und Deutschland – die Verbindung zur zurückgelassenen Heimat wurde dadurch wieder gestärkt. Just als Elisabeth Sereda es in der Neuen Welt geschafft hatte, war sie zur Hälfte schon wieder Europäerin. Bis heute teilt sie ihre Zeit zwischen Wien und der US-Westküste auf, verbringt im Schnitt sieben Monate unter pazifischer Sonne und den Rest in ihrer Wiener Wohnung. In Zukunft will sie öfter in Österreich sein – sich einem Filmprojekt widmen, das sie selbst entwickelt hat. „Ich schreibe gerade an einem Drehbuch; wenn die Finanzierung klappt, möchte ich auch selbst produzieren.“ Trotz ihrer langen Abwesenheit hat Sereda mehr Freunde in Wien als in den USA: „Ich habe mich selbst oft gefragt, warum. Es liegt wohl an der kalifornischen Oberflächlichkeit. Man kommt schnell ins Gespräch, lernt jeden Tag jemanden kennen, der sich sofort ,Freund‘ nennt, aber es bleibt nicht haften.“ Was nicht heißt, dass man sich nicht auch auf amerikanische Bekannte verlassen kann. Hartnäckige Förderer im elitären Club der Hollywood Foreign Press – in den man nur durch Empfehlungen gelangt – schafften es: die Aufnahme von Elisabeth Sereda. Als Journalistin stieß sie damit zum innersten Kreis der Filmschreiber vor: „Ab diesem Zeitpunkt war ich in den Augen der Schauspieler und Regisseure jemand, der über die Golden Globes mitentscheidet. Entsprechend freundlich sind sie, vor allem im Herbst.“ Die Freundlichkeit legt sich allerdings sehr rasch, wenn die Stars gerade keinen Film im Rennen haben, den sie promoten müssen, oder wenn es einmal weniger gut läuft, weil sie vor einer Scheidung stehen oder mit Alkohol am Steuer erwischt wurden. Dann trennt sich sehr schnell die Spreu vom Weizen.

„Stars und Celebrities, das ist ein Unterschied wie zwischen Richard Gere und Richard Lugner. Celebrities drängen in die Medien. Wirkliche Stars kriegst du nur zum Interview, wenn sie dir vertrauen.“
Elisabeth Sereda

Sereda hat gelernt, zwischen jenen Schauspielern zu unterscheiden, die mit ihrem Ruhm umgehen können, und solchen, die zu egomanischen Monstern werden: „Das ist eine Frage des Charakters und der Intelligenz. Manche verlieren jede Distanz zu sich selbst, nur weil ihr Name einmal ganz groß in allen Zeitungen erscheint.“ George Clooney ist ein besonders angenehmes Beispiel der intelligenten Sorte, findet Sereda. „Er musste sich lange genug durch dumme Fernsehserien quälen, bis er den Durchbruch schaffte. Jetzt genießt er den Starstatus, aber mit sympathischer Selbstironie.“ Eines Tages verriet ihr Clooney mit Augenzwinkern, warum er sich beim Autogrammgeben immer so nett nach dem Namen eines Fans erkundigt und ihn sogar noch selbst dazuschreibt: „Wenn du nur deinen Namen hinsetzt, landet die Karte am nächsten Tag auf eBay. Wenn aber z. B. dabei steht ,für Tatjana‘, dann lässt sich das nicht so leicht verkaufen …“ Dem britischen Gentlemandarsteller Michael Caine verdankt Sereda eine saftige Anekdote. Caine ist dafür bekannt, bei seinen Rollen alles andere als wählerisch zu sein, weshalb er nicht nur große Werke wie „Hannah und ihre Schwestern“ oder „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ veredelte, sondern auch Dutzende Auftritte in mediokren Streifen lieferte. Sereda wollte ihn bei einem Pressegespräch in Anwesenheit mehrerer TV-Teams fragen, warum er derart viele Rollen annehme: „Brauchen Sie das Geld, oder sind Sie ein Workaholic?“ In der Hitze der Fragestellung wurde daraus aber ein „Alcoholic“. Caines höchst elegante Replik: „Beides, meine Liebe, beides. Ich war ein Alcoholic, deshalb musste ich zum Workaholic werden, um meine Drinks zu finanzieren.“

Aber solche Persönlichkeiten sind rar geworden. Heute läuft auch in Los Angeles immer öfter jene Sorte von Celebritys herum, die ihren Ruhm nur dem Hunger der Medien nach Trash verdanken – die amerikanischen Lugners gewissermaßen, mögen sie nun Paris Hilton heißen oder Lindsey Lohan oder sonst irgendeinen Namen tragen, der rasch wieder verschwindet, sobald das Interesse der Öffentlichkeit an den Ohne-Höschen-auf-der-Party- Fotos und den Geschichten über Busenvergrößerungen abflaut. Auch Venice Beach ist nicht mehr sicher vor den Paparazzi, obwohl die Menschen mit den berühmten Gesichtern hier immer noch auf angenehme Weise zum Stadtbild gehören. Normalerweise dreht sich hier niemand um, wenn zufällig Nicolas Cage den Boardwalk entlang joggt. Reese Witherspoon kann völlig unbehelligt durch die Boutiquen am Abbot Kinney Boulevard bummeln; Helen Hunt kann mit ihrer Tochter ungestört am Strand spielen; und wenn Janet Jackson zum Trainieren ins legendäre Gold’s-Gym-Fitnesscenter will, dann sorgt lediglich die Wichtigtuerei der Bodyguards für Aufsehen. Hier draußen, gleich vor der Haustür, geht auch Elisabeth Sereda am liebsten shoppen. „Ich liebe den Abbot Kinney, weil er fast etwas Europäisches hat, kleine Läden und Cafés…man bummelt dort zu Fuß. Sonst ist ja in L. A. alles aufs Auto ausgerichtet.“ Am Abbot Kinney liegt auch eines ihrer Lieblingslokale, „3 Square Café“, wo der gebürtige Steirer Wolfgang Gussmack in der Küche steht. „Kein vordergründig österreichisches Lokal, nur an den Details verrät Wolfgang seine Herkunft: Zum Beispiel gibt es zur Saison weißen Spargel, den in Kalifornien sonst niemand hat, man kennt hier nur den grünen. Er führt steirische Weine. Und er macht einen Kaiserschmarren, der selbst mir als Wienerin großen Respekt einflößt.“ Wenn Sereda selbst für Gäste kocht, hat sie’s freilich lieber kreolisch als alpenländisch. „Ich liebe die heiße, würzige Cajun-Küche aus der New-Orleans-Gegend.“ Auf einem der regelmäßigen Farmers’ Markets in Venice Beach lassen sich selbst exotische Zutaten für Gumbo, Jambalaya, Crawfish Étouffée oder Banana Bread Pudding mit Whiskeysauce leicht finden. „Supermärkte sind eher ein Problem. Wenn man dort wirklich frische Lebensmittel kriegt, sind sie so teuer, dass es billiger kommt, ins Restaurant zu gehen, als zu kochen.“ Kaiserschmarren kriegen ihre amerikanischen Gäste nie – „den könnte ich zwar, aber ich verweigere die Erfüllung vordergründiger Klischees“. Außerdem wird Kaiserschmarren in Los Angeles mit Seredas berühmtestem Landsmann assoziiert, nämlich Governor Schwarzenegger – aber gerade mit dem will sie nicht unnötig in Verbindung gebracht werden. „Als Politiker halte ich nichts von ihm; ich werde bei der nächsten Wahl genau wie bei der letzten gegen ihn stimmen.“ Beim Gedanken an Arnie huscht ein Lächeln über Elisabeth Seredas Gesicht. Ein Ausspruch von Silvester Stallone, Schwarzeneggers einstigem Erzrivalen um den Status als Nummer-eins-Muskelmann, fällt ihr ein: „Sly hat mir gesagt: Ist dir klar, dass der Governor von Kalifornien am Wochenende, daheim in Beverly Hills, heimlich in die Gasse hinter seinem Haus schleicht, um dort zu rauchen? Jetzt weißt du auch, was mit diesem Land nicht stimmt.“