Erinnern Sie sich an Grace Kelly? Die spielte vor ihrer Karriere als Fürstin von Monaco in einem Film über „Die oberen Zehntausend“ mit. Kurz darauf wurde sie Taufpatin einer der beliebtesten Handtaschen des Luxusunternehmens Hermès – und reagiert so bis heute das Leben der besseren Gesellschaft. 

Unser Geschäft ist es, Begehrlichkeiten zu schaffen“, sagt Hermès-Chef Axel Dumas. „Das kann unbeständig sein, weil Begehrlichkeiten auch unbeständig und launisch sind – aber wir haben genug Kreativität, um ständig neue Impulse zu liefern.“ Eingeschworene Fans des exklusiven Fami­lienbetriebs, die aufgrund ihrer finanziellen Si­­­­­­tuation als Globetrotter um die Welt jetten können, sind permanent auf der Jagd nach seltenen oder gar einmaligen Stücken mit ihrem Lieblings-Markenzeichen: der Kutsche (Le Duc), dem Pferd und dem freizeitbewussten Gentleman. So finden Sie vielleicht in einer Boutique in Beverly Hills einen Hermès-Basketball um verspielte 12.000 Dollar, irgendwo anders ein Bücherregal aus orangefarbenem Leder um belesene 112.000 Dollar – und wenn sie Glück haben, auf der anderen Seite der Welt das Hermès-Fahrrad um sportliche 11.300 Dollar.

Luxus ist exklusiv

Aber das braucht doch alles kein Mensch, werden Sie jetzt sagen. Und damit haben Sie natürlich recht: Luxuswaren zeichnen sich dadurch aus, dass sie exklusiv und sauteuer sind – so teuer, dass ihr Preis selbst die rarsten Materialien und die beste Handwerkskunst nicht wirklich rechtfertigt. Da werden Lederspezialisten drei Jahre lang ausgebildet, um das schuppige Leder aus den firmeneigenen Alligator- und Krokodilfarmen kunstfertig zusammenzunähen und die winzigen Nieten für die Handtaschenschließe von Hand einzuhämmern. (Wahlweise kann sich die Kundschaft auch für Ziegen- oder Eidechsenleder entscheiden …) Und das Endprodukt ist eine Handtasche – in diesem Fall die Birkin Bag – die in der Hermès-typischen orangefarbenen Verpackung vorzugsweise an die High Society ausgeliefert wird (auch wenn US-Geschäftsführer Robert Chavez volkstümlich meint: „Für uns sind alle unsere Kunden Prominente“), während sich das gemeine Volk mit billigen Imitaten zufriedengeben muss. Zu den Damen (und Skandalnudeln) von Welt, die sich in letzter Zeit mit Hermès-Handtaschen schmücken – und das nicht etwa, weil sie dafür bezahlt werden – gehören Beyoncé, Kim Kardashian, Lady Gaga und Victoria Beckham, die angeblich sogar eine millionenschwere Birkin-Sammlung hat. In den mittlerweile 318 Hermès-Boutiquen weltweit braucht man als normaler Mensch gar nicht nach dieser Tasche zu fragen; dort geben die Verkäufer nicht einmal zu, dass es sowas wie eine Warteliste gibt. Sie ziehen bestenfalls eine Augenbraue hoch und raten der ahnungslosen Kundin, es doch bei einer Auktion zu versuchen. Wo die stattfindet? Nein, darüber hat man hier keine Informationen. Wenn Sie das nicht wissen, gehören Sie nicht zum Club.

Schon die Entstehungsgeschichte der Birkin Bag ist von Exklusivität gezeichnet: Es begab sich im Jahre 1981, dass der damalige Hermès-Firmenchef Jean-Louis Dumas mit der schicken Concorde von Paris nach London flog. Neben ihm saß die Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin, zu dieser Zeit immer noch ein „It-Girl“, und lieferte ihm im Rahmen einer gepflegt-gelangweilten Unterhaltung die Inspiration für die neue Tasche. 1984 kam die dann auf den Markt und ist bis heute weit oben in den Luxus-Charts, gleich nach der Kelly Bag, die wiederum durch die eingangs erwähnte Grace Kelly alias Gracia Patricia von Monaco Weltberühmtheit erlangte. Die gesammelten Hitparaden der exklusiven und superexklusiven Güter können sich durchaus sehen lassen: Aktuellen Schätzungen zufolge ist der weltweite Luxusmarkt etwa 223 Milliarden Euro pro Jahr wert. Immer weniger Leute haben immer mehr Geld und geben das für „unnötiges Zeug“ aus. Ob man das gut oder schlecht findet, spielt keine Rolle: Die Kassen klingeln, der Rubel rollt – und nicht nur neureiche Russen, sondern auch zu Geld gekommene Chinesen (Hermès betreibt im Reich der Mitte eine eigene Marke namens Shang Xia) kurbeln das Geschäft an.

Luxus ist bescheiden

Aber genug vom verbalen Klassenkampf. Schließlich gab sich Patrick Thomas – acht Jahre lang Hermès-Konzernchef und das bisher einzige Nicht-Familienmitglied in dieser Position – schon 2013 in einem Interview mit dem Standard bescheiden: „Ich mag das Wort Luxus nicht, es klingt so künstlich, glamourös“, sagte er. „Wir betreiben viel Aufwand für Qualität, für Rohmaterial und Know-How. Ich persönlich führe kein luxuriöses Leben. Mein größtes Vergnügen ist nicht ein Flugzeug oder ein riesiges Anwesen, sondern die Vogelbeobachtung in der Natur.“ Was kann er denn dafür, wenn die Geldmenschen seine Produkte so lieben? Sie sind ja auch wirklich schön – angefangen von der klassischen Herren-Reisetasche aus Leder (Haut à Courroies), über Ledergürtel, Armbanduhren und Uhrbänder, Taschenuhren (Ermeto), Porzellan und Tafelgeschirr, Düfte und Taschen bis zu den handbedruckten Seidentüchern, die mittlerweile in mehr als tausend Variationen vorliegen und zu gesuchten Sammlerstücken geworden sind. Gut, Thomas hat im selben Interview auch zugegeben, dass Hermès die Fertigung bestimmter Produkte stoppt, wenn sie auf dem Markt zu erfolgreich werden. Aber so erzeugt man eben künstliche Knappheit, kann die Preise hochhalten und sorgt dafür, dass nicht jeder die sauteure Handtasche mit sich herumschleppt. Auf diese Art gelang es Hermès im 2014 auch, auf Platz 41 der 100 weltweit wertvollsten Marken zu kommen – mit einem geschätzten Wert von 21,8 Milliarden Dollar. 2013 machte das Unternehmen 5 Milliarden Euro Umsatz und 1,69 Milliarden Gewinn; damit wurde es zu dem am schnellsten wachsenden Unternehmen der Luxusbranche. Seit Februar 2014 steht mit Axel Dumas wieder ein Familienmitglied an der Unternehmensspitze. Der 44-jährige hat an der Sorbonne Philosophie, in Paris Jus und in Harvard Wirtschaft studiert, dann für eine französische Bank gearbeitet und ist schließlich 2003 in die Firma eingestiegen. Vom Leiter der Schmuckabteilung arbeitete er sich bei Hermès zum kaufmännischen Leiter für Frankreich hoch, war dann ein Jahr lang gemeinsam mit Thomas Firmenchef und regiert jetzt alleine. Schließlich habe schon seine Großmutter von ihm verlangt, „dass er Hermès beschützen müsse, so wie ein Bauer sein Land beschützt“, wie er erzählt. Konzernadel verpfichtet eben. Auch Axel tut sich schwer mit dem Wort „Luxus“. Auf die Frage nach der Unternehmensphilosophie antwortet er gern, dass sich alle bei Hermès als „kreative Handwerker“ sehen – und dass das oberste Ziel der Firma sei, die Handwerkskunst am Leben zu erhalten.

Luxus hat Tradition

1837 eröffnete der im deutschen Krefeld geborene Sattler Thierry Hermès sein erstes Geschäft in Paris. Dort stellte er Pferdegeschirr, Sättel und Zaumzeug erster Qualität – und schon damals zu extravaganten Preisen – her, das die bessere Gesellschaft sehr zu schätzen wusste und daher am liebsten bei ihm einkaufte. Seine Ware wurde so berühmt, dass Thierry 1867 bei der Pariser Weltausstellung sogar eine Medaille dafür verliehen bekam. Nach dem Tod des begabten Handwerkers übernahm sein Sohn Charles-Émile das Geschäft und wusste die Zeichen der Zeit zu deuten: Mit dem Aufkommen von Automobilen und Eisenbahnen verlor die Pferdekutsche rasant an Bedeutung, also erweiterte der Firmenerbe sein Sortiment um Koffer und Ledertaschen. Charles-Émile verlegte den Stammsitz des Unternehmens in die Rue du Faubourg Saint-Honoré Nr. 24, wo sich bis heute der weltbekannte Flagship-Store von Hermès befindet. Erst in der übernächsten Generation gab es dann keine männlichen Erben mehr, sondern „nur“ Töchter – weshalb heute keiner der Leiter des Familienbetriebs (heute in der fünften und sechsten Generation) den Namen des Gründers trägt. Anfang der 1950er Jahre stieg Hermes ins Parfümgeschäft ein und brachte mit Calèche einen Damenduft und mit Eau d’Hermès ein Herrenparfüm auf den Markt; 20 Jahre später folgte mit Equipage ein weiterer Klassiker für den Mann. Seit damals wurde das Sortiment stetig erweitert – bis hin zu den einzigartigen Kunst- und Wohnobjekten aus der Serie Petit h, die aus teuren „Restln“ der Hermès- Rohmaterialien hergestellt werden. Wer Lust, Zeit und genügend Geld hat, kann also beinahe sein ganzes Leben und die eigene Erscheinung mit Hermès ausstatten (und sich die Zigarren mit 500-Euro-Scheinen anzünden). Das breite Angebot existiert in dieser Form jedoch erst seit Ende der Siebziger. Damals musste die Erbenfamilie nämlich feststellen, dass die Konzentration auf perfekte Handarbeit die Umsätze nur langsam steigen ließ. In den Siebzigern gingen sie sogar zurück, weil Hermès sich in dieser „fortschrittlichen“ Zeit den Ruf hatte, nur Produkte für wohlhabende ältere Damen herzustellen. Jean-Louis Dumas (der Onkel von Axel) übernahm das Unternehmen 1978, das damals einen Jahresumsatz von relativ bescheidenen 50 Millionen Euro hatte – und machte es bis zu seinem Tod im Jahre 2010 zum Milliarden-Luxuskonzern. Das gelang ihm zum einen, indem er die verstreute Erbengemeinschaft zur Emile Hermès SARL einte, die bis heute gemeinsam alle wichtigen Beschlüsse für die Firma fasst; zum anderen aber gestaltete er das angestaubte Unternehmen zu einer viel jüngeren Marke um: Er engagierte begabte zeitgenössische Designer, förderte das Uhrengeschäft, machte die Hermès-Produktpalette für die Yuppie- Generation der 80er Jahre ansprechend und überzog die Welt mit den exklusiven Hermès-Boutiquen.

Luxus ist Krieg

Wie das mit Yuppies und ihren Nachfolgern aber so war – sie alle drängten an die Börse. 1993 sprang auch Hermès auf den Zug auf, was sich beinahe als folgenschwerer Fehler erwiesen hätte: Die französische Luxus-Unternehmensgruppe LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton) unter Leitung des Geschäftsmanns Bernard Arnault – der sich selbst gegen den Willen der ursprünglichen Familienbetriebe zum Konzernpräsidenten gemacht hatte – kaufte ab 2010 Hermès- Aktien und hielt schließlich fast 23 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Daraufhin gründeten die Hermès-Erben eine Familienholding, um sich ihre Mehrheit zu erhalten und eine feindliche Übernahme zu verhindern. Die französische Börsenaufsicht verurteilte LVMH später wegen unlauterer Methoden beim Aktienerwerb zu einer Strafe von acht Millionen Euro; die schluckte der Konkurrenz-Konzern jedoch locker und verkaufte seine Hermès-Aktien mit einem Gewinn von 2,4 Milliarden Euro. „Das war die größte Schlacht meiner Generation“, sagt Axel Dumas heute: „Hermès steht nicht zum Verkauf, und wir werden mit aller Macht um unsere Unabhängigkeit kämpfen.“ Um den Erfolg und das Weiterbestehen von Hermès muss man sich also keine Sorgen machen – außer man ist ein Krokodil.

Luxus ist Expansion

Der Götterbote Hermes ist in der ganzen Welt unterwegs, steigt mit viel Geld in Luxusfirmen ein – und tut dem Handwerk Gutes.

Cristalleries de Saint-Louise Die Kristallmanufaktur im französischen Départment Moselle entwickelte sich aus einer seit 1586 bestehenden Glashütte, konnte als erste Firma auf dem europäischen Festland Bleikristall herstellen, produziert heute in erster Linie Kristallglas- Unikate für den Luxusmarkt – und gehört seit 1995 Hermès.
Jean Puiforcat Das 1820 gegründete Gold- und Silberschmiedeunternehmen wurde 1918 vom Designer Jean-Émile Puiforcat übernommen, dessen weltbekannte Kreationen es bis in den Louvre scha ten. Anfang der 1990er Jahre kaufte Hermès die Firma, die vorher u. a. dem griechischen Tankerkönig Niarchos gehörte.
John Lobb Die besten, tragbarsten und teuersten Schuhe kommen aus London. Das weiß jeder – und das wusste man auch bei Hermés, weshalb der Luxusriese sich 1976 in die britische Traditionsmarke einkaufte. Seither verkauft der Konzern unter diesem Namen maßgefertigte und Konfektions-Schuhe in eigenen Edelboutiquen.
Perrin & Fils Der größte und bekannteste Seidenweber Europas betreibt sein Geschäft seit 1929 nahe der französischen Stadt Lyon und produziert feinste Sto e aus Seide, Kaschmir und Garnmischungen für diverse Luxusmarken. Kein Wunder, dass Hermès auch dort unbedingt einsteigen wollte …
Vaucher Manufacture Fleurier Seine mechanischen Uhrwerke bezieht der Luxuskonzern – wie sollte es anders sein – aus der Schweiz. Hermès besitzt 25 Prozent der Aktien von VMF, dem Spezialisten für exklusive Uhrwerke mit Hand- und Automatikaufzug. Die perfekte Antithese zum Smartphone mit Zeitanzeige.
Fondation d’entreprise Hermès Die Stiftung des französischen Luxuskonzerns setzt auf humanistische, künstlerische und logischerweise auch handwerkliche Werte. „Wir sind kein Kommunikationswerkzeug für das Haus Hermès“, sagt Direktorin Catherine Tsékénis. „Dazu braucht Hermès keine Stiftung.“ Stattdessen gibt es im Rahmen der Fondation eine „Skills Academy“, in der Handwerker mit Designern und Technikern kooperieren, sowie den alle drei Jahre verliehenen Designpreis „Prix Émile Hermès“ zu verschiedenen aktuellen Fragestellungen (wie 2014: „Time to Yourself“).

Luxus heute

www.hermes.com