Maria Bianchi Prada – unter ihrem Spitznamen Miuccia bekannt – hat ihr Familienunternehmen zu einem der größten der Luxusbranche gemacht. Ihr Erfolgsgeheimnis: Verlass dich nicht auf Labels und Althergebrachtes, sondern auf gute Ideen, Trash und „Hässlichkeit“.

Wenn man den Namen Prada hört, dann denkt man an Meryl Streep – die drei- fache Oscar-Preisträgerin, die in der Hollywood-Komödie „Der Teufel trägt Prada“ glaubwürdig vermitteln konnte, wie dämonisch die Welt der High Fashion und ihrer Hochglanz-Zeitschriften ist. Oder es fallen einem die Ladies aus „Sex and the City“ ein, die ihre Zeit entweder mit dem Gedanken an attraktive Bettgenossen oder mit dem Erwerb luxuriöser Markengegenstände verbringen, die sie dann (auf der endlosen Suche nach besagten Sexualpartnern) stolz zur Schau tragen. Und da darf Prada natürlich auch nicht fehlen – seien es nun die berühmten Handtaschen, das edle Schuhwerk oder die hypermodischen Rucksäcke, die sich der normale Stadtwanderer nie leisten könnte. Prada ist Image, Prada ist Status, Prada ist für den Ein-Prozent-Hyperkapitalismus das, was die Tageszeitung Prada für den Sowjet- kommunismus war.

Parteimitglied

Dabei hatte die jetzige Leiterin des italienischen Erfolgsunternehmens eigentlich ganz andere Absichten – und wollte den Familienbetrieb gar nicht übernehmen. Als Miuccia Prada mit nicht einmal 29 Jahren zusammen mit ihren Geschwistern Albert und Marino die Firma erbt, weil sich ihre Mutter Luisa 1978 in den Ruhestand zurückziehen will, ist sie erbost. „Ich hasste es“, sagt sie Jahrzehnte später in einem Interview mit Newsweek. „Ich war Feministin. In die Mode zu gehen, war so ungefähr das Schlimmste, was ich hätte machen können. Es war eine äußerst unangenehme Situation.“ Miuccia, die studierte Politikwissenschaftlerin und Absolventin einer Schauspielausbildung, hält es damals noch eher mit dem Klassenfeind. Sie ist überzeugte Kommunistin und Mitglied der italienischen KP, ein Kind der revolutionären sechziger Jahre und auf den ersten Blick alles andere als die ideale Kandidatin für das traditionsreiche Lederwarengeschäft, das ihr Großvater gegründet hat. Statt Prada aber ins Volkseigentum zu überführen, tritt sie das Erbe lieber an – wie das die meisten reichen jungen Revoluzzer tun, wenn’s drauf an- kommt – und macht eine der erfolgreichsten Luxusmarken des 20. und 21. Jahrhunderts daraus. Gegründet wurde die Lederwarenfirma 1913 von den Gebrüdern Mario und Martino Prada; daher trug sie auch den Namen Fratelli Prada. Noch im selben Jahr eröffneten die beiden ein Geschäft für edles Leder – Taschen, Koffer, Handschuhe und Accessoires – in der berühmten überdachten Mailänder Einkaufsstraße Galleria Vittorio Emanuele II. 1919 wurden die Pradas zu königlichen Hoflieferanten ernannt, was sich bis heute im Firmenlogo widerspiegelt, wo das Wappen des Hauses Savoyen zu sehen ist.

In den 20 Jahren, die Luisa Prada nach dem Tod ihres Vaters das Geschäft führte, wurde es recht still um die geadelte Marke. Und das lag nicht nur daran, dass Blaublütige auch in Südeuropa immer weniger zu sagen hatten, sondern vor allem an der unternehmensinternen Stagnation: Nach wie vor gab es nur das eine Geschäft, und das war nicht gerade mit der Zeit gegangen.
Die Enkelgeneration steht also Ende der Seventies vor keiner leichten Aufgabe. Doch Miuccia wäre keine echte Italienerin, wenn sie nicht einen angeborenen Sinn für Mode hätte – und noch dazu einen für’s Business. Sie erklärt sich schnell selbst zur Designerin und entwirft elegante Handtaschen aus „Pocone“, den früheren Schutzhüllen der Lederwaren, oder auch aus schwarzem Fallschirmnylon. Und dabei setzt sie nicht nur auf einfache, klare Linien und kaum erkennbare Labels, sondern auch auf Hässlichkeit und schlechten Geschmack.

Prada Ugly

Um zu zeigen, dass es ihr mit der Rückkehr zu bürgerlichen Werten ernst ist, sucht sich Miuccia Prada gleich einmal einen Gefährten, der etwas von der Branche und vor allem vom Geschäftemachen versteht. Patrizio Bertelli betreibt in der toskanischen Stadt Arezzo eine Firma für Lederwaren und hat unter seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern einen Ruf als strenger und jähzorniger Manager. Auch dem Prada-Clan ist er bisher eher negativ auf- gefallen, weil er unerlaubt Designs des Mailänder Unternehmens kopiert hat. Auf einer Modemesse gelingt es Miuccia jedoch, ihn als Zulieferer für Prada anzuwerben. Später bezirzt sie Bertelli dann so sehr, dass er mit ihr zusammenzieht und sie 1987 heiratet. Neben ihren zwei Söhnen haben die beiden vor allem eines gemeinsam: die Firma. Bertelli ist CEO von Prada, gilt nicht von ungefähr als das Gehirn hinter dem geschäftlichen Erfolg des Modeunternehmens und hat ein geschätztes Vermögen von 3,7 Milliarden US-Dollar. Er war es auch, der in den achtziger Jahren seine Frau dazu überredete, das bisherige Prada-Angebot zu erweitern und eine Damenkollektion auf den Markt zu bringen. Miuccia, die bislang nur Taschen und Schuhe entworfen hat, stürzt sich also 1985 auf ihre erste Prêt-á-porter-Kollektion und hält sich dabei ganz und gar nicht an den Zeitgeist. Auch von Traditionen hält sie nicht viel, wie ihr Motto „Ich meide Nostalgie, wo es nur geht“ deutlich zeigt. Während andere Modemacher sich mit angeblich typisch weiblichen Dingen wie Spitzen und Rüschen aufhalten, übt sie sich in Minimalismus und Schlichtheit – und gewinnt damit die Herzen und Brieftaschen der Damen, die den althergebrachten Rollenklischees entkommen und nicht mehr länger „oversexed“ daherkommen wollen. Sie nennt ihre Entwürfe „Uniformen für ein wenig entrechtete Frauen“ und begeistert damit nicht nur die Kritiker. Ein paar Jahre danach ent- wickelt Miuccia Prada ihren Stil in diese Richtung weiter und designt „Bad Taste“- Mode, von den Fachmedien und ihr selbst auch liebevoll „Prada Ugly“ genannt.

„Hässlichkeit ist attraktiver und aufregender als die
bourgeoise Schönheitsvorstellung. Vielleicht weil sie
in der Fashion-Welt etwas Neues ist.“
Miuccia Prada

„Hässlichkeit ist attraktiv und aufregend“, sagt sie über ihre durchaus gewöhnungsbedürftigen Plastik- und Latex-Modelle. „Vielleicht liegt das daran, dass sie in der Fashion-Welt etwas Neues ist. Für mich ist die Beschäftigung damit jedenfalls spannender als die bourgeoise Schönheitsvorstellung. Warum? Weil Hässlichkeit menschlich ist und das sogenann- te Schlechte und Schmutzige in jedem Menschen berührt. In Filmen und der bilden- den Kunst ist es schon längst normal, sich mit Hässlichkeit zu befassen, aber man hat mich sehr oft kritisiert, weil ich das Hässliche und Trashige in die Modewelt eingebracht habe.“ Solche Vorwürfe schaden dem kommerziellen Erfolg der Firma aber keineswegs. 2013 machte das börsennotierte Unternehmen Prada 3,59 Milliarden Dollar Umsatz und eröffnete 79 neue Geschäfte – womit die Anzahl der weltweiten Einzelhandelsläden bei nunmehr fast 550 liegt.

Catwalks & Catfight

Das Geheimnis von Miuccia Prada: Tu nie das, was die anderen tun. Die Modemacherin, die sich in der Öffentlichkeit eher als Kunstliebhaberin gibt, nur wenige Sekunden lang auf den Catwalks zu sehen ist und den Medien bestenfalls fünfminütige Interviews gewährt, arbeitet mit dem Überraschungseffekt. Ob sie bei ihren Shows die Fachwelt mit transparenten Regenmänteln verblüfft, die bei Berührung mit Wasser undurchsichtig werden, oder typische Touristenkleidung wie Strohhüte und Sandalen auf den Laufsteg bringt – sie steht stets im Mittelpunkt. „Wenn Sie wissen wollen, was diese Saison angesagt ist, dürfen Sie die Prada-Show nicht verpassen“, erzählte ein Branchen-Insider 2004 dem Time Magazine. „Miuccia hält sich nicht an irgendwelche Trends, sondern nur an ihre eigene Energie. Ihre Kollektionen sind ein absoluter Ausdruck ihrer Persönlichkeit.“

Prada zählt heute zu einer der 100 prominentesten Marken weltweit – und das, obwohl die Chefdesignerin weder selbst schneidern noch zeichnen gelernt hat, sondern ihre Mode ausschließlich mit Worten entwirft. So ist das eben, wenn frau wirklich etwas zu sagen hat…„Manchmal habe ich das Gefühl, dass Frauen ihre Position in der Gesellschaft noch immer nicht zu schätzen wissen“, sagt die mittlerweile fast 65-jährige Luxusemanze. „Wir fühlen uns nicht stark genug, unsere Ansichten durchzusetzen. Wir mögen keine Geschäftsfrauen und wenden uns gegen Frauen, die zu männlich wirken. Ich verleugne meinen Feminismus trotzdem nicht, weil er einfach zu tief in mir verwurzelt ist. Stattdessen habe ich ihn mit Mode und Avantgarde kombiniert, damit kann ich leben. Und ich kann auch nett zu Männern sein – das ist gar nichts Schlechtes.“ Dass trotz dieser edlen Überzeugungen die Gender-Inquisition hinter ihr her ist, darf einen angesichts aktueller Verhältnisse nicht verwundern. So stürzen sich die GleichbehandlungsfetischistInnen etwa auf den Fall von Rina Bovrisse, einer Mitarbeiterin von Prada Japan, die von ihrem Chef als „hässlich“ bezeichnet wurde und daraufhin wegen sexueller Diskriminierung und Belästigung zu Gericht ging. Der Richter wies die Klage als unberechtigt und grundlos ab, Bovrisse ging mit ihrem Anliegen zum Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen – und erfreut sich ihrer neuen Rolle als Vorzeigekämpferin im Genderkrieg. Prada hingegen strengte eine Gegenklage wegen Verleumdung an. Immerhin kann man gerade Miuccia & Co. nicht vorwerfen, etwas gegen Hässlichkeit zu haben.


Von Kunst bis Bond

Miuccias Ehemann und Prada-Geschäftsführer Patrizio Bertelli war Experte darin, Konkurrenzfirmen aufzukaufen. Mittlerweile hat sich das Unternehmen aber wieder von Marken wie Jil Sander, Helmut Lang und Fendi getrennt, um in aller Ruhe seine eigene Strategie zu verfolgen – mit mehreren Standbeinen:

Prada In der Hauptlinie der preisgekrönten Designerin finden sich nicht nur exquisite Damen- und Herrenmode, sondern auch Sonnen- und optische Brillen, Düfte und sogar Handys.
Crada Linea Rossa In Zeiten wie diesen, da jeder im Trainingsanzug herumrennt (außer die Leute, die wirklich trainieren), durfte auch dieser Stil nicht fehlen. Die 1997 als Prada Sports lancierte „Rote Linie“ präsentiert ein Mittelding zwischen Sport- und Alltagskleidung, ist etwas günstiger als normale Prada-Mode und bietet auch den gepflegten Turnschuh an.
Miu Miu Wie man schon am Namen erkennt, ist diese billigere, jugendlichere Linie ebenfalls ein „Kind“ Miuccias. Sie existiert seit 1993 und bietet Damenmode im Retro-Stil sowie die pas- senden Accessoires. 2015 kam auch ein eigenes Miu-Miu-Parfüm auf den Markt.
Church’s 1999 kaufte Prada um satte 170 Millionen Dollar 83 Prozent dieses traditionsreichen englischen Unternehmens ein. Church’s stellt edles Schuhwerk her, nicht mehr als geschätzte 5000 Paar pro Woche. Bei Tony Blair sind die Schuhe genauso beliebt wie bei James Bond.
Car Shoe Ebenfalls aus Mailand und seit 1963 auf dem Markt. Der auf Autofahrer speziali- sierte Hersteller wurde mit seinen Mokassins bekannt, die mit praktischen Gumminoppen ver- sehen sind. Seit 2011 gehört das Unternehmen Prada, hat eigene Stores und steigert permanent seinen Umsatz. „The Original Car Shoes“ gehören zu den meistgefälschten Marken in China.
Fondazione Prada Da Miuccia ja eigentlich Künstlerin (oder zumindest Kunstfreundin ist), gründete sie 1993 zusammen mit ihrem Mann diese Stiftung, die seit nunmehr fast 20 Jahren jährlich Ausstellungen von je zwei zeitgenössischen Künstlern in Mailand veranstaltet.
Prada Transformer Auch die Architektur kommt nicht zu kurz. 2009 ließ Prada den Holländer Rem Koolhas im koreanischen Seoul diesen dreh- und kippbaren Pavillon – eigent- lich eine begehbare Skulptur – errichten, in dem Mode, Filme und Kunst gezeigt wurden. Nach nur sechs Monaten wurde das Gebäude wieder abgerissen.
Prada Epicenters Mit seinen von international bekannten Architekten (wieder Rem Koolhaas, aber auch Herzog & de Meuron) entworfenen Konzept-Stores löste Prada einen Trend in der Modeindustrie aus: Luxus, interessante Gestaltung und die edelsten Einkaufsgegenden. So wird der Flagship-Store selbst zur Attraktion.
www.prada.com