Sie angelte sich einen der begehrtesten Junggessellen des Landes und agiert seither als Teil eines mächtigen Medien-Clans. Bei näherer Betrachtung wird allerdings schnell klar: Eva Dichand hätte es auch in jedem anderen Job und ganz ohne Familienprotektion bis an die Spitze geschafft.

Hundertmal bin ich auf der Heiligenstädterstraße an Sektkellerei und Privatklinik vorbeigefahren. Jedes Mal habe ich mich dabei gefragt, wo genau denn nun eigentlich die Redaktionen des Gratismagazin-Imperiums, Heute und Live, sitzen. Kein überdimensionales Firmenschild, auf dem Dach keine grell leuchtenden Werbetafeln. Vom News-Verlag oder dem nahe gelegenen Krone-Tower ist man anderes gewöhnt. Endlich. Ein schmuckloses Bürogebäude für mehrere Firmenstandorte. Keine einladende Adresse, aber immerhin Platz genug für zwei unabhängig voneinander operierende Redaktionen. Ein Stockwerk darüber die Geschäftsleitung. Von hier aus operiert Eva Dichand, „Österreichs taffste Medien-Blondine“ wie man sie in Branchenkreisen gerne nennt. Ich bin zu früh da. Die Gelegenheit, um mich als Nicht-U-Bahn-Fahrerin in der Lobby in die aktuelle Ausgabe von Heute einzulesen. Doch aus diesem Vorhaben wird nichts, weil mir zwei Sekunden später die Chefin selbst die Hand entgegenstreckt: „Gut, dass Sie schon hier sind. Ich muss nämlich bis Mittag noch einen Termin einschieben.“ Üblicherweise sieht man seinem Gegenüber schneller in die Augen. Doch weil ich selbst noch sitze, wandert der Blick zuerst an gefühlten drei Kilometer langen, bilderbuchmäßig geformten Beinen hinauf. Es folgen Bleistiftrock und Rüschenbluse. „Ja wissen Sie, ich trage noch das Abend-Outfit von Gestern. Wir sind nämlich erst heute Früh von einem Event in Oberösterreich zurückgekommen“, spricht Eva Dichand, während sie forschen Schrittes ihr Büro ansteuert. Die Begegnung hat sich schon jetzt gelohnt: Man kennt jetzt eine Frau, die in Christian-Louboutin-Plateau-Stillettos (ja, die mit der roten Sohle) gehen — die Betonung liegt auf gehen — kann. Vor fünf Jahren hat die 34-jährige Steirerin ihren heutigen Mann, Krone-Chefredakteur Christoph Dichand, bei Verhandlungen rund um den Verkauf des Wiener Dorotheums kennengelernt. Von da an ging es für die gelernte Investmentbankerin mit Wirtschafts-Doktorat steil bergauf: Zwei Jahre lang leitete sie (das mittlerweile eingestellte) Monatsmagazin Unsere Stadt, im Herbst 2005 steigt sie zudem als Co-Geschäftsführerin bei der seit einem knappen Jahr existierenden Gratis-Tageszeitung Heute ein. Noch im selben Jahr wird sie vom Branchenmagazin Der Journalist zur „Medienmanagerin des Jahres” gekürt — eine Entscheidung, die damals noch von zahlreichen Männer in den Chefetagen der Branche milde belächelt wurde. Heute weiß es auch die Konkurrenz besser. So attestierte ihr der mächtige und üblichweise bei Komplimenten sehr zurückhaltende Raiffeisen-Boss Christian Konrad: „Frau Dichand ist per se eine durchaus junge, aufstrebende Medienmanagerin.” Von anderen wird die selbstbewusste Macherin bereits als ideale zukünftige Geschäftsführerin der Krone gesehen. Inzwischen ist Eva Dichand Herausgeberin und Geschäftsführerin in Personalunion und erreicht durch kluge Schachzüge beim Auflegen ihres Blattes laut Reichweitenanalyse in Wien 347.000 Leser (25 Prozent), im ostösterreichischen Raum zusammen 500.000. „Bei den jungen Lesern kommen wir sogar auf eine Reichweite von 33 Prozent und sind damit nach zwei Jahren nur mehr um vier Prozentpunkte hinter der Krone”, betont sie. Seit einem halben Jahr produziert ein eigenes Team den wöchentlichen Magazin-Ableger, Live, mit Society-Geschichten plus Kino- und TV-Programm. Die Aufmachung ist modern und kommt bei den Nutzern gut an. So gut, dass sich Politiker mittlerweile um Frühstückstermine bei der jungen Medienmanagerin reißen.

Dichand selbst macht kein Hehl daraus, dass sie Geschmack an ihrem Einfluss gefunden hat und mit Macht so umgeht, wie es ihr prominenter Schwiegervater, Krone-Boss Hans Dichand, seit jeher getan hat: „Ich sage dem einen oder anderen Minister ganz konkret, wenn ihr gewisse Dinge macht, werden wir das in der Zeitung unterstützen.” Gewisse Dinge, das kann vieles sein — als berufstätige Mutter versteht Dichand zum Beispiel nicht, warum man die Kosten der Kinderbetreuung nicht von der Steuer absetzen kann. „Das wird der Bartenstein noch öfter von mir zu hören bekommen.” Die Blattlinie deckt sich fast zur Gänze mit jener des Schwiegervaters: So war man selbstvertsändlich auch in der jungen Redaktion auf der Heiligenstätter gegen ein Bleiberecht des Flüchtlingsmädchens Arigona und kritisiert beinahe täglich in Brüssel getroffene Entscheidungen der EU. Auf die ideologische Nähe der U-Bahnzeitung zum großen Zeitungsbruder angesprochen, pariert die Managerin diplomatisch: „Wissen Sie, das kommt wohl daher, dass bei uns viele ehemalige Krone-Redakteure arbeiten.” Ihr Bereich sei der Geschäftliche, in journalistische Belange mische sie sich nicht ein. Das wöchentliche Cover von Live muss ihr trotzdem vorgelegt werden, wie ich später beim Gang durch die Redaktionen beobachten kann: Es ist kurz vor Redaktionsschluss. An der Nervosität der dortigen Verantwortlichen angesichts der überbrachten Antwort aus dem Büro der Chefin erkennt man, dass Eva Dichand — nennen wir es respekteinflößend — agiert und die Zügel scheinbar doch nicht ganz so locker lässt. Erst vor zwei Monaten hat sie ihr zweites Kind, Arthur Christoph, bekommen. Sohn Constantin ist drei. „Ich liebe meine Kinder über alles, aber ich bin nicht die Mutter, die drei Stunden am Boden Bauklötzchen auftürmt. Eine halbe Stunde ja, mehr bitte nicht.” Eva Dichand ist selbstbewusst genug, um in der Öffentlichkeit nicht die üblicherweise von Karrierfrauen mit Familienanhang demonstrativ zur Schau getragene Parademutter-Nummer zum Besten zu geben. Gatte Christoph nimmt ihr hier einiges ab, besuchte etwa mit dem Größeren einen Schwimmkurs. „Wir teilen uns die Verantwortung und ich könnte mir keinen besseren Vater für unsere Kinder vorstellen.” Beide Eltern kommen übrigens auch an Arbeitstagen zum gemeinsamen Mittagessen nach Hause — ein Unikum in der Zeitungsbranche. Einrichtung und die Bilder für die eigenen vier Wände suchen sie immer wieder gemeinsam aus. „Wir mögen beide moderne österreichische Kunst.” Auf die Frage, welche Eigenschaften ihr an ihrem Mann am besten gefallen, hat sie — zum ersten Mal übrigens an diesem Vormittag — keine rasche Antwort parat. „Sie stellen Fragen, da muss ich erst darüber nachdenken.“ Freunde des Paares bekunden, dass ein für seine Zurückhaltung bekannter Christoph Dichand in seiner Frau die ideale Lebenspartnerin gefunden hat. Sie ist das Sprachrohr nach außen, geht auf Leute zu, haut auf den Tisch, wenn ihr etwas nicht passt — längst gilt sie mit ihrer direkten, offensiven Art als Außenministerin des Clans.

Ich liebe meine Kinder über alles, aber ich bin nicht die Mutter,
die drei Stunden am Boden Bauklötzchen auftürmt.
Eine halbe Stunde ja, mehr bitte nicht.
Eva Dichand

Das Geheimnis von Eva Dichand? Sie ist besser ausgebildet, machtbewusster und jünger als die leitenden Damen von der Boulevard-Konkurrenz. „Ich könnte mir jederzeit selbst einen Kasten oder ein Regal bauen.” Man glaubt es ihr sofort. Als HTL-Maturantin absolvierte sie in der Schule auch die Gesellenprüfung zum Maurer und Zimmermann. „So richtig mit blauem Arbeitsanzug und gelbem Helm”, erzählt sie. Auch so kann Emanzipation aussehen. Der Vater ist Zivilingenieur mit großer Firma in Graz, die Mutter verdiente sich als Apothekerin. Der Bruder arbeitet im väterlichen Betrieb mit. „Das hätte ich auch gut machen können.” Wieder glaubt man ihr aufs Wort. Dass daraus nichts wurde, „hat hauptsächlich damit zu tun, dass man zum Wirtschaftsstudium nach Wien musste. Und das war ein guter Vorwand, um von zu Hause ausziehen zu dürfen.” Etwas aufbauen, wachsen lassen und es zum Wohle der ganzen Familie zu etwas bringen. Das unternehmerische Clan-Denken hat sie in die Hauptstadt mitgenommen. Die Tochter mag keine verlegerischen Ideale jenseits des Geldverdienes verfolgen. Doch so funktioniert Boulevard auch anderswo. Auffallend ist, wie oft sie ihre Sätze mit „wir” beginnt. Hinter der karriereorientierten Fassade versteht sich Eva Dichand nicht als One-Woman-Show, sondern als wichtiger Teil eines Familienunternehmens. Sie ist mit jeder Faser Führungsnatur, hat Spaß am Geldverdienen, nicht für die eigene Tasche, sondern zum Wohle der „Firma Dichand” — also ganz im Sinne des „Alten”, dem 86-jährigen Kopf der Familiendynastie. Eva Dichand hätte es auch im Finanzbusiness noch weit gebracht, wir einer ihrer früheren Bosse und Vorstand der Unternehmensinvest AG, Kurt Stiassny, bestätigt. „Es fiel ihr immer sehr leicht, Kontakte zun knüpfen, auch als sie noch nicht diesen Namen trug. Sie hat einen natürlichen Charme und Verkaufstalent”, streut er ihr im Wirtschaftsmagazin Format Rosen. Das Telefon läutet ohne Unterlass. Für ästhetischen Schnickschnack bleibt da keine Zeit. Bloß einen bunten Blumendruck von Andy Warhol hat sie sich an die Wand gehängt. „Kein Original, sondern ein billiges Poster — oder was haben Sie geglaubt?” Das mit dem Firmenschild werde jetzt demnächst auch noch, sagt uns die Sekretärin beim Abschied. Mittlerweile bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob das in diesem Fall von essentieller Bedeutung ist. Denn, ob mit oder ohne plakativem Logo an der Außenfassade. Eva Dichand ist nicht zu übersehen.