Beim Anblick der Farbe „Tiffany Blue“ – mittlerweile natürlich als Farbmarke weltweit geschützt – bekommen nicht nur Luxusweibchen leuchtende Augen. Auch Kunstexperten und -sammler verbinden mit dem Namen des US-Konzerns Qualität, Beständigkeit und gesalzene Preise.

In ihrem Song „Diamonds Are A Girl’s Best Friend“ haucht Marilyn Monroe „Tiffany’s“ und sagt damit den Männern eindeutig, was Frauen wirklich wollen. Kein Wun­der, dass sie dabei so ehrfürchtig klingt – wenn sich ein Mädchen so einen besten Freund aus den Werk­stätten des berühmten amerikanischen Schmuckherstellers zulegen will, braucht sie ganz schön viel Geld. Oder einen freigiebigen Millionär, wie ihn die MM im Filmklassiker Blondinen bevorzugt ja auch sucht. Wahrscheinlich hätte der Glückliche sie gar nicht heiraten müssen. Der berühmte Ver­lo­bungsring The Tiffany Setting (auch „Ring der Ringe“ genannt) mit seinem wunderschön ge­fassten Diamanten, der vor mehr als 100 Jah­ren entworfen wurde, hätte schon genügt…

Ein glänzendes Leben

Das Traditionsunternehmen Tiffany & Co. wurde am 18. September 1837 in New York City gegründet – von Charles Lewis Tiffany, der später als „King of Diamonds“ bekannt wurde. Tiffany, der 1812 in Killingly, Con­necticut zur Welt kam, stammte nicht aus den sprichwörtlichen einfachen Verhältnissen, die in den USA angeblich der sicherste Weg zum Mil­lionärsdasein sind, sondern war Fabri­kan­ten­sohn. Sein Vater – Eigentümer einer Baum­wollspinnerei – setzte den hoffnungsvollen Spröß­ling bereits mit 15 als An­ge­stellten in seiner Gemischtwaren­handlung ein; später arbeitete Charles dann im Büro der Spinnerei mit. Im Alter von 25 Jahren hatte er dann allerdings genug vom elterlichen Betrieb. Er bat seinen Vater um ein Darlehen von 1000 Dollar und zog nach New York, um dort am Lower Broadway zusammen mit seinem Schulfreund John B. Young ein Galanteriewarengeschäft zu eröffnen. In den ersten drei Tagen erzielten die beiden Jungunternehmer der Überlieferung nach einen Gesamtumsatz von heißen 4,38 Dollar, doch dadurch ließen sie sich nicht beirren. Mit dem Verkauf von Gläsern, Geschirr, Besteck, Porzellan, Uhren und Schmuck lock­ten sie immer mehr Kunden an und schafften es schließlich im Jahr 1841, ihr Geschäft – das nun unter dem Namen Tiffany, Young & Ellis firmierte – zu vergrößern. Tiffany und Konsorten machten nicht in Masse, sondern in Klasse. Das betuchte Pub­likum schätzte sie wegen der hohen Qualität ihrer Produkte und freute sich unter anderem über die große Auswahl am damals modernen „Böhmischen Glas“. Da Charles Tiffany durch seinen Umgang mit Luxusgütern bald zum anerkannten Experten für die schönen Dinge des Lebens und vor allem Edelmetalle und -steine wurde, begann sein Unternehmen bald auch selbst Schmuck herzustellen. Zwischen 1850 und 1860 eröffnete die Firma – nun un­ter dem Namen Tiffany & Company – Filialen in London und Paris; das New Yorker Stammgeschäft übersiedelte dank des anhaltenden Erfolges in die noble Fifth Avenue.

Charles Tiffany verkörperte zeit seines Lebens das Ideal des anständigen Geschäfts­manns, dem man weder Skandale noch Unre­gel­mäßigkeiten nachsagen konnte. Er war so ehrlich, dass das französische Königshaus ihm 1887 sogar einen Teil seiner Kronjuwelen zum Verkauf anvertraute. Zudem brachte er nicht nur als erster Einzelhändler einen Versand­ka­ta­log (das „Blue Book“) in Umlauf, sondern führte auch noch den Edelmetallstandard des Sterlingsilbers ein, der dafür sorgen sollte, dass keine billigen Legierungen mehr unter dem Namen Silber in Umlauf kamen. Auch als er Geschäfte in allen wichtigen Städten der Welt eröffnet hatte, ging er nicht von seiner Praxis ab, sämtliche Stücke in seinen Vitrinen mit Preisen zu versehen – im Gegensatz zu den meisten Juwelieren, die ihre Kundschaft erst einmal mit hocherhobener Nase abschätzten, bevor sie irgendeinen Phan­tasiebetrag nannten. Bei Tiffany & Co. wurde nicht gefeilscht, ausschließlich in bar bezahlt und kein Kredit gegeben. Als begeisterter Förderer der Kunst stiftete Charles dem Metropolitan Museum of Art größere Summen und war einer der Gründer der New York Society of Fine Arts. Auch privat schien er zutiefst solide: Bereits 1839 hatte er Harriet Olivia Avery Young, die Schwester seines ersten Business-Partners geehelicht und mit ihr für Nachwuchs zu sorgen begonnen; insgesamt setzte das Paar sechs Kinder in die Welt, von denen zumindest eines die Familien­tradition weiterführen sollte. Der Anstand lohnte sich: Als der „bedeutendste Juwelier der Welt“, Ritter der französischen Ehrenlegion und offizielle k.u.k. Hoflieferant 1902, im Alter von 90 Jahren, das Zeitliche segnete, war seine Firma 2 Millionen Dollar wert; er selbst hatte ein Privatvermögen von 35 Millionen. Finanziell gesehen war er also so etwas wie der Bill Gates seiner Zeit…

Im Rampenlicht

Der fortschrittsgläubige Firmengründer Charles Tiffany war besonders stolz darauf, mit dem legendären Erfinder Thomas Edison zu­sam­menzuarbeiten und mit ihm Methoden zu erfinden, Theater elektrisch zu beleuchten. Eine ihrer gemeinsamen Konstruktionen war das Fuß- oder Rampenlicht am vorderen Büh­nenrand, das es ermöglichte, Broadway-Shows spektakulär auszuleuchten – und so das Publi­kum in nie zuvor dagewesener Zahl anlockte. Mit seinem Schmuck gelang Tiffany ein ähnliches Kunststück. Als durch die europäischen Revolutionen des Jahres 1848 Edelsteine stark an Wert verloren (weil die Adelshäuser ganz andere und absolut verdiente Sorgen hatten…), kaufte der clevere Juwelier billig Diamanten ein, deren Erlös ein paar Jahre danach den Grundstock für sein beachtliches Vermögen legte. Nach dem Tod des Firmengründers führte sein damals bereits 54jähriger Sohn Louis Com­fort Tiffany die Geschäfte weiter – und wurde auch gleich Designdirektor des Unter­nehmens. Auch Louis hatte sich nicht auf den elterlichen Lorbeeren ausruhen wollen, sondern stattdessen selbst Karriere gemacht. Als 1848 geborenes erstes Kind der Tiffanys be­suchte er zuerst einmal zwei Militärakademien, bevor er sich zu einer künstlerischen Laufbahn hingezogen fühlte und in New York sowie Paris Malerei studierte. Um 1875 begann er sich je­doch für die Glaskunst zu interessieren, lernte in mehreren einschlägigen Werkstätten in Eu­ropa und Nordafrika, bevor er 1879 mit drei Partnern – und dem Geld seines Vaters – das Einrichtungshaus „Tiffany Glass and Deco­ra­ting Company“ gründete.

Dank prominenter Auf­träge (von der Gestaltung mehrerer Räume im Weißen Haus bis zum Wohnsitz des Schrift­stellers Mark Twain) wurde er bald zu einem begehrten Innenausstatter der USA. Seine zunehmende Konzentration auf Glaskunst führte dazu, dass er die Firma 1885 auflöste und im selben Jahr die Tiffany Glass Company (später: Tiffany Studios) gründete. Mit seinen wunderbaren Glaskreationen, Bunt­glaswerken und den aus verschiedenfarbigen Glasstücken bestehenden Tiffany-Leuch­ten wurde er zu einem der wichtigsten amerikanischen Vertreter des Jugendstils. Als er 1902 das New Yorker Ju­we­lier­geschäft sei­nes Vaters über­­nahm, fügte er dem Fir­men­pro­fil neben Dia­man­ten eine wei­tere bedeutende Fa­cette hinzu: Glas. Und zwar so ed­les Glas, wie es die Reichen und Schönen des beginnenden 20. Jahrhunderts kaum anderswo kriegen konnten.

Diamanten für alle

„Was ein Mann wirklich von einer Frau hält, erkennt man an den Ohrringen, die er ihr schenkt.“
Audrey Hepburn

Die Firma Tiffany war seit jeher wandelbar und flexibel. Während des amerikanischen Bürgerkriegs versorgte sie die Armee der Nordstaaten mit Schwertern und Chirurgiebe­steck; 1877 entwarf sie die Ehrenmedaille für im Dienst umgekommene Angehörige der New Yorker Polizei (die Baseball-Mannschaft New York Yankees übernahm das darauf geprägte „NY“-Logo mehr als 30 Jahre später); 1919 entwarf sie die Medal of Honor (= Ehrenmedaille) der US-Streitkräfte als „Tiffany Cross“ neu; und 1968 erhielt sie von der damaligen Präsidentengattin Lady Bird Johnson den Auftrag, das neue Tafelgeschirr fürs Weiße Haus zu entwerfen. Der Geldadel der Vereinig­ten Staaten – also Familien wie die Astors, Vanderbilts und Huttons – ließ sich immer wie­der gern mit Tiffany-Diamanten sehen, genauso wie Hollywood-Stars, Spitzensportler und Angehörige europäischer Herrscherhäuser. Doch vom supernoblen Image und prominenten Gast-Designern wie Andy Warhol und Paloma Picasso kann ein multinationaler Kon­zern nicht leben – zumindest nicht in Zeiten wie diesen. Bereits 1978 wurde Tiffany & Co. an den amerikanischen Kosmetikriesen Avon Products verkauft und erweiterte sein Ver­kaufs­programm nicht nur um Düfte (z. B. Tif­fany for Women), sondern auch billigere Pro­dukte, bis selbst die Flagship-Stores der Firma laut Kritikern wirkten „wie Kaufhäuser zur Schlussverkaufszeit“. Acht Jahre später bezahlte eine Investorengruppe 135,5 Millionen Dol­lar für das Unternehmen und brachte es an die Börse. Wie man aus Fachkreisen hört, ist der größte Tiffany-Aktionär derzeit eine Invest­ment­­gruppe aus Qatar. Der Trend zur Massenproduktion hielt jedoch an und Tiffany versuchte vor allem in Krisen- und Rezessionsphasen, mit günstigen Angeboten ein Publikum anzusprechen, das sich zuvor nie einen Diamantring leisten hatte können. Nebenbei setzt man allerdings mit limitierten Auflagen weiterhin auf Exklusivität – so wie mit dem auf zehn Exemplare be­schränk­ten, mit mehr als 400 Diamanten bestückten japanischen Handy, das angeblich 100 Millionen Yen (ca. 975.000 Euro) kostet.

Sechzig Prozent aller angebotenen Waren werden in eigenen Werken produziert, vom Schmuck über Silbergegenstände bis zu perfekt geschliffenen Diamanten. Etliche Schmuck­hersteller haben die Designs von Tif­fany schamlos kopiert, ob für Luxus­ware oder Billigprodukte – auch die österreichische Firma Swarowski zeigt sich mit ihren Entwürfen nicht gerade uninspiriert vom Vorbild aus Amerika. Den Erfolg von Tiffany schmälert das nicht. Mit etwa 200 Geschäften in aller Welt, die in besseren Einkaufszentren ebenso angesiedelt sind wie an den „Lux­usmeilen“ diverser Metropolen (zum Beispiel am Kohlmarkt in Wien), will das Unternehmen seinen Jah­resumsatz immer weiter steigern. Glamouröse Persönlichkeiten wie den Fir­mengründer und seinen Sohn sucht man je­doch heute bei Tiffany vergebens. Wie das mitt­lerweile in der Wirtschaft üblich ist, wird selbst weltbekannter Luxus unter der Leitung von Managern produziert, die ir­gendwann ein Wirtschaftsstudium ab­solviert und sich dann in der Kon­zernwelt hinaufgedient haben. Also: Aufsichtsratvorsitzender und General­di­rek­tor von Tiffany & Co. ist ein gewisser Mi­chael J. Kowalski, von dem man nur weiß, dass er teure Anzüge, eine Brille und einen 1000-Dollar-Haar­schnitt trägt. Und ein paar Millionen Dollar im Jahr verdient. Für das Geld gehen sich sicher auch ein paar Diamanten aus…
www.tiffany.com

LADIES‘ CHOICE – Breakfast mit Audrey

Sie machte den New Yorker Schmuckhersteller selbst unter einfachen Kino­besuchern weltbekannt: Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“. Doch auch sonst hat der Luxuskonzern seine Spuren in der Popkultur hinterlassen.

Die Geschichte des Partygirls Holly Golightly, bezaubernd gespielt von der damals 32jährigen Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany (1961), ist nicht nur ein Hollywood-Klassiker, sondern steht auch sprichwörtlich für den Hang zu schönen Dingen, einem aufregenden Leben und (manchmal schalem) Luxus. Die Romanvorlage von Truman Capote – der lieber Marilyn Monroe in der Hauptrolle gesehen hätte – hatte zwar kein Happy-End für Holly und ihre wahre Liebe; doch die Traumfabrik und der großartige Soundtrack von Henry Mancini sorgten dafür, dass der Lobgesang auf Tiffany zu einem zeitlosen Feelgood-Movie wurde.

Auch danach bediente sich die populäre Kultur immer wieder am guten Image des berühmten Firmennamens: „Tiffany“ nannten sich viele – von einer deutschen Liebesromanreihe bis zu einem amerikanischen Teenie-Pop-Starlet der Eighties. Doch auch auf das reale Luxusgeschäft in der Fifth Avenue und seine berühmten Diamanten nahmen Songs und Filme immer wieder Bezug: So sang beispielsweise nicht nur die Monroe über Tiffany, sondern auch Eartha Kitt in ihrem sexy Weihnachtslied „Santa Baby“. Im 007-Film Diamantenfieber heißt sogar eines der Bond-Girls Tiffany (und erzählt, dass sie nach der Schmuckfirma benannt wurde). Tiffany verirrte sich leider auch in die Komödienreihe „Natürlich blond“, in den 70er-Jahre-Blax­ploi­tation-Streifen „Black Caesar“ (wo der schwarze Gangsterboss seinen Lieblingsbedarf im Flag­ship-Store deckt) – und natürlich zu den mode- und luxussüchtigen Damen aus der TV-Kult­serie „Sex and the City“. Bessere Werbung für das Unternehmen findet man bestenfalls nur im berühmten „Blue Book“.