In der Öffentlichkeit kennt man sie als lächelndes Gesicht des Opernballs. Aber Desiree Treichl-Stürgkh ist viel mehr: Journalistin, Magazin-Gründerin, Messe-Veranstalterin, Mutter – und vor allem eine Frau, die das Leben von einem steirischen Schloss in die Armut und wieder zurück in die Höhen der Wiener Gesellschaft führte.

Sseit Oktober 2011 sitzt Desirée Treichl-Stürgkh, jene Frau, die alle nur „Desi“ nennen, im Haus der Bundestheater in der Wiener Goethegasse. Dort hat sie einen geräumigen Schreibtisch, ein Schild an der Tür und Platz genug, um auch potenzielle Geldgeber oder zahlungskräftige Logenkäufer zu empfangen, die ihr helfen, ihr größtes Sorgenkind wieder einmal sicher aus der Taufe zu heben: den Opernball 2012 „Gleich am ersten Tag konnte ich hier ein Meeting mit zwei Sponsoren erfolgreich abschließen“, berichtet die unermüdliche Ballmutter, „man merkt gleich, dieses Zimmer hat richtig gute Vibes.“ Zum fünften Mal ist sie für das Fest verantwortlich, das unmerklich einen immer größeren Raum in ihrem Leben einzunehmen begann. „Es ist viel mehr Arbeit, als ich gedacht habe“, gesteht Desi. Als sie sich im Sommer 2007 von ihrer Vorgängerin Elisabeth Gürtler überreden ließ, die Organisation zu übernehmen, dachte sie noch, dass sie ein paar Wochen im Jahr damit beschäftigt sein würde. „Sie war sehr überzeugend, sie sagte, da gehst du fünfmal hin, und das machst du schon.“ Tatsächlich beginnen buchstäblich am Tag nach dem Ball – der traditionell am Donnerstag vor dem Aschermittwoch stattfindet – die Vorbereitungen für den nächsten. Rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit wendet die Organisatorin im Jahresschnitt dafür auf, schließlich ist sie für „fast alles mit Ausnahme des Eröffnungs-Programms“ zuständig. Und sie ist stolz darauf, in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Neuerungen durchgesetzt zu haben, die den Ball jünger und fröhlicher machten, obwohl sie im jährlichen Medienrummel meist untergehen. „Wir haben die Säle adaptiert, wir haben die Galerie geöffnet, wir sprechen gezielt junge Leute an. Die Jugend wurde immer sehr stiefmütterlich behandelt.“ Eine kleine Sensation gelang im Februar 2011, wobei auch der neue Operndirektor Dominique Meyer und sein zurückhaltender Charme am Gelingen nicht unwesentlich beteiligt war: Erstmals in ihrer Geschichte spielten die Wiener Philharmoniker live zur Eröffnung – jahrzehntelang ein völlig undenkbarer Vorgang, dem hohe Wände an bürokratischen Einwänden (die Musiker sind weitgehend identisch mit dem angestellten Opernorchester, das wiederum aus gewerkschaftlichen Gründen nicht am einzigen Schließtag, und so weiter…) und Eitelkeiten (in ihrer Eigenschaft als Philharmoniker haben die Musiker ihren eigenen Ball…) entgegen gestanden waren. Auch bei der Eröffnung hat Desi ein Tabu gebrochen, indem nicht mehr exklusiv die Tanzschule Elmayer das Defilée der Debütantenpaare choreografiert, sondern jedes Jahr ein anderes Institut, das zudem immer aus einem anderen Bundesland kommen soll. Das alles will Jahr für Jahr neu organisiert sein, dazu müssen die Logen verkauft, die Sponsorverträge geschlossen, der Blumenschmuck ausgewählt werden. Professionelles, ziemlich aufwändiges Eventmanagement eben, für das Desi als Entschädigung „keinen einzigen Cent“ bekommt: „Ich verrechne nicht einmal den Kaffee, wenn ich Sponsoren treffe, oder das Taxi.“

Das Ehrenamtliche war ihr von Anfang an wichtig, vor allem deshalb, weil sie sich als Gattin des Generaldirektors der Erste Bank, Andreas Treichl, ohnehin dem Neid der Öffentlichkeit ausgesetzt fühlt: „Der Opernball ist so eine große Veranstaltung, wo jedes Jahr die Emotionen hochgehen, da woll­te ich mir einfach ersparen, dass ich mich auch noch dafür rechtfertigen muss, dass mein Mann viel Geld verdient. Das Ergebnis ist natürlich, dass jetzt Andreas Treichl indirekt zum Sponsor der Oper geworden ist. Mein privater Sponsor.“ Die schwierigste Zeit kommt natürlich erst noch, nämlich die vierzehn Tage vor dem Ball, wo die Boulevardmedien sich nur mehr dafür interessieren, welche prominenten Namen diesmal wieder auftauchen werden. Es sind die zwei Wochen des Richard Lugner. „Ja, das ist immer eine schreckliche Zeit“, gesteht Desi, hat sich aber auch damit abgefunden, dass gegen den Baumeister kein Kraut gewachsen scheint: „Er kriegt natürlich wieder seine Loge, er hat sie auch schon bezahlt. Zum Glück kriegen die Gäste auf dem Ball den Rummel, den er immer inszeniert, gar nicht mit. Und seinen Auftritt in den Medien, den soll er eben haben.“ Erst ein einziges Mal kam es zu einer direkten Begegnung zwischen der obersten Hüterin des Ballgeschehens und dem Mann, der seit mehr als 20 Jahren ein Vermögen dafür ausgibt, Promis in seine Loge führen zu dürfen. Das war im Februar 2007, also ein Jahr vor Desis Debüt. Da stieß sie gemeinsam mit Ehemann Andreas im Getümmel vor den Logen auf den Lugner-Tross. Der Erste-Bank-General ging kurzerhand auf den Baumeister zu und bat ihn um ein Autogramm. „Daraufhin hat der Herr Lugner gesagt, ,Geh, tan S’ mi net roll’n, Herr Generaldirektor…’“ Es war das letzte Mal, dass sich Desirée Treichl-Stürgkh eine Szene wie diese aus der sicheren Distanz der unbeteiligten Zuschauerin anschauen konnte. Ein Jahr später wechselte sie nicht nur die Seiten, sondern wurde auch zur öffentlichen Figur, von der die Medien wissen wollen, auf welche Bälle sie geht, welche Schuhe sie trägt, und wo sie ihr Kleid für den nächsten Ball kaufen wird. Desi bedient all diese Neugierden mit der wohlerzogenen Geduld, die sie ihrer Rolle schuldet, aber auch mit dem kollegialen Verständnis, das sie als Journalistin und Magazinmacherin den Medienkollegen entgegenbringt. Denn bevor die Frau mit dem eleganten blonden Haarschopf zum Fixpunkt der Wiener Society wurde, saß sie in den Redaktionsteams von einigen der spannendsten Mediengründungen der letzten 30 Jahre. Noch heute gibt sie die wegweisende Zeitschrift H.O.M.E heraus, der sie lange Zeit hindurch auch als Covermodel diente.

Nachdem ich keinen Cent Entschädigung bekomme und auch keine Spesen verrechne, ist mein Mann gewissermaßen Hauptsponsor meiner Tätigkeit.
Desirèe Treichl-Stürgkh

Irgendwie schaffte es Desi Treichl-Stürgkh, trotz ständiger Präsenz in der Öffentlichkeit, trotz der vielen Interviews und Talk Shows, wenig von sich selber preiszugeben. Das merkwürdige Lebensschicksal vom Adelsschloss in die Armut und zurück an die Spitze der Gesellschaft, von der Schreiberin und Beobachterin zum Objekt der medialen Neugier – diese Story wartet noch auf einen geduldigen Autor. Am Anfang stand die Idylle des steirischen Landadels. Desi, geboren am 1. September 1964 bei Bad Radkersburg, ist irgendwie verwandt mit jenem Karl Graf Stürgkh, der unter Kaiser Franz Joseph als Regierungschef diente und 1916 von Friedrich Adler (dem Sohn von Viktor Adler) erschossen wurde. Der Großvater Barthold Stürkgh (nach Abschaffung des Adels 1919 durfte er sich klarerweise nicht mehr „Graf“ nennen) saß für die ÖVP im Nationalrat und war 1952 bei der Gründung des Europäischen Parlaments dabei. Desi war das mittlere von fünf Kindern, erlebte eine glückliche Kindheit auf Schloss Halbenrain und wurde mit zwölf Jahren jäh aus der Idylle gerissen, als zunächst die Mutter an Brustkrebs starb und kurz darauf der Vater einem Herzinfarkt erlag. Davor hatte niemand gewusst, dass der Vater wirtschaftlich am Ende gewesen war und praktisch das gesamte Ver­mögen verloren hatte. Aus den strahlenden Schlosskindern wurden über Nacht fünf mit­tellose Vollwaisen, die von der Großmutter in Wien mühsam durchgebracht werden mussten. „Ich erinnere mich, dass wir in alte Decken gehüllt dasaßen, weil wir uns das Heizen nicht leisten konnten“, erzählt die Frau, die heute mit einem der höchstbezahlten Manager des Landes vermählt ist, ohne jede Sentimentalität. „Eine ehemalige Köchin schickte uns Fresspakete aus der Steiermark, einmal aßen wir wochenlang nur Nudeln mit Zucker.“ Desi schaffte es dennoch durchs Gymnasium und auf die Wirtschaftsuni, wo sie ein Diplom als Werbefachfrau erwarb. Ins Berufsleben startete sie als Texterin in Werbeagenturen und als Journalistin für jene Style-Magazine, die in den Achziger Jahren so viel Aufsehen machten: Freunde brachten sie zur „Männer Vogue“ nach München: „Condé Nast ist ein sehr interessanter Verlag, dort habe ich wirklich viel gelernt.“ Die Liebe („Nein, nicht mein heutiger Mann, der kam erst später“) brachte sie zurück nach Wien, hier schrieb sie vier Jahre lang Mode-Geschichten für Diva, textete für die Wienerin, ließ sich sogar zu einer Kolumne in der viel angefeindeten Macho-Zeitschrift Ego überreden. 1997 gründete sie mit drei Partnern ihren eigenen Verlag AHEAD Media. Gemeinsam mit dem Journalistenkollegen Alexander Geringer schuf sie daraufhin eine Zeitschrift, der damals nur wenige ein ausreichendes Marktpotenzial zutrauten: H.O.M.E, ein Magazin für Wohnen, Einrichten und Design. „Das war vielleicht meine schönste Zeit“, erinnert sich die Gründerin, „wir haben eine Ausgabe nach der anderen im Keller von Alexander gebastelt, ohne uns Pausen zu gönnen, wir gingen total in dem Projekt auf.“ Mitherausgeberin war am Anfang die 1999 verstorbene Wiener Gesellschafts-Ikone Pilar Goëss: „Sie hatte ein echt cooles Designgeschäft in der Walfischgasse und kannte sich wirklich aus in dieser Szene. Ihr verdankten wir damals viele wichtige Kontakte.“ Markenzeichen von H.O.M.E. war lange Zeit das Gesicht von Desi höchstselbst auf dem Cover. „Aber das haben wir aufgegeben“, lacht die Herausgeberin, „ich habe nämlich nur einen Typ von Gesichtsausdruck drauf, immer dasselbe Lachen. Das wird fad auf die Dauer.“ Nach und nach brachte der Verlag auch andere Titel heraus, „IQ Style“, „anyway“, seit kurzem auch „flair“, eine Lizenzprodukt des italienischen Verlagsriesen Mondadori. Auch die jährliche Wohnmesse H.O.M.E. heißt nicht zufällig so, sondern wird vom Team der Zeitschrift organisiert – und nutzt Jahr für Jahr das bekannte Gesicht der Herausgeberin für ihre Zwecke. Freilich hat sich der Markt seit den heroischen Anfängen stark verändert. Wohndesign ist längst nicht mehr die Domäne der ausgeflippten Ästheten, sondern Mainstream geworden. Möbel werden im Internet gehandelt wie Bücher und CDs. „Dadurch wurde der Bereich auch sehr international, man kann einfach nicht mehr von typisch italienischen oder typisch skandinavischen Formen sprechen wie früher.“ Ein wichtiger Inseratenkunde von H.O.M.E. war stets die Erste Bank – leider nur solange, bis der dortige Generaldirektor Andreas Treichl die Magazinmacherin vor den Traualtar führte, denn dann stoppte er sofort sämtliche Aufträge an die Zeitung seiner Frau, um jeglichen Anschein von Begünstigung zu vermeiden. Manchmal können Connections auch ein Nachteil sein… Vom Kennenlernen im Zuge eines Inseratengesprächs bis zur glücklichen Vereinigung war es aber ohnehin ein langer Weg: „Es hat gedauert, er hat mich zum Essen ausgeführt, dann haben wir einander eine zeitlang nicht gesehen. Insgesamt musste er einige Abendessen investieren, bevor es geklappt hat.“

Desi legt Wert auf ein bewusstes Familienleben, auch wenn das mitunter Kraft kostet, denn auch der Beruf des Bankdirektors ist einigermaßen zeitraubend. „Als die Bank in Osteuropa expandiert hat, war Andreas sehr viel unterwegs, und auf dem Höhepunkt der Finanzkrise natürlich erst recht. Ich schaue aber drauf, dass wir so oft wie möglich mit den Kindern zusammen Abendessen.“ Das kocht sie dann auch gern selbst und kauft selber dafür ein, „am liebsten auf dem Rochusmarkt, das ist immer ein sehr schönes Erlebnis, zu schauen, was es gibt, wie die frischen Sachen appetitlich in den Körben liegen.“ Bei drei halbwüchsigen Buben muss die Kost natürlich entsprechend ausgiebig sein – Pasta, Fleisch und Fisch kommen da immer gut an. Mitunter sind die Söhne schon im Bett, wenn der Papa aus seinen Vorstandssitzungen kommt. „Ich bleibe dann aber bewusst auf, auch wenn es spät wird, warte auf ihn und wir trinken dann noch ein Glas Wein zusammen und reden ein bisschen über den Tag. Ich finde es enorm wichtig, sich auszutauschen und jeweils am Leben des anderen teilzuhaben.“ Die schönste Zeit sind die Sommermonate, wenn die Familie für längere Zeit ins Ferienhaus in Leogang übersiedelt. Dort im Pinzgau, an der Grenze zu Tirol, können die Söhne in und um das umgebaute alte Bauernhaus nach Herzenslust herumtoben, mit den Rädern durch den Wald rasen, die Wiesen unsicher machen. Die Mama nimmt sich ebenfalls Zeit zum Wandern, Tennisspielen, Sonnen – und zieht sich von Zeit zu Zeit mit Handy und Laptop zurück, um ihre Texte zu schreiben oder Kontakte mit Inserenten und potenziellen Ball-Sponsoren zu halten. Und wenn sie wirklich Muße hat, widmet sich Desirée Treichl-Stürgkh ihrem heimlichen Hobby: dem Ansetzen von Likören und Essenzen aus Früchten und Schnaps. „Man soll sich zwar nicht selber loben, aber mein Preiselbeer-Likör, der ist, glaub ich, wirklich etwas Besonderes.“