Mit fünf Politikern zu diskutieren und dabei gleichzeitig über Kopfhörer dem Regisseur zuzuhören, während tausende Watt starke Lampen gnadenlos heiß niederbrennen – das ist gewiss nicht jedermanns Sache. ATV-Politik-Talkerin Sylvia Saringer lebt seit 13 Jahren in der Welt der TV-Studios. Gerade deshalb liebt sie privat die freie Natur und das Wasser des Neusiedler Sees.

Als Sylvia Saringer zum ersten Mal in ihrem Leben vor einer TV-Kamera stand, war sie nach wenigen Minuten überzeugt, dass sie hier völlig falsch am Platz wäre. „Ich wusste, das will ich auf keinen Fall machen“, erinnert sich die gebürtige Burgenländerin. Dabei hatte sie damals, im Jahr 2000, schon einige Jahre als flotte Radio-Stimme hinter sich, erst beim Billa-Supermarkt-Programm Radio Max, dann bei Antenne. „Aber da ist man ganz allein in seinem Kammerl und spricht irgendwo rein. Im Fernsehstudio stehen Kameraleute und Techniker, und ich sagte mir: Wo Menschen dabei sind, mag ich nicht reden. Dafür eigne ich mich nicht.“ Allerdings war die Casting-Jury des damals taufrischen Privatkanals ATV ganz anderer Meinung. Sylvia Saringer ist erfrischend anders, fanden die Fachleute, die dem eben erst vom Kabel auf den Satelliten gewanderten Sender ein jugendlich-freches, aber zugleich auch professionelles Auftreten verpassen sollten. Und so präsentierte die Blondine mit dem eindringlich blauäugigen Blick schon wenig später das tägliche Boulevardmagazin „check it“ – und hat den Moderatorensessel in den 13 Jahren seither nicht mehr verlassen. Jedenfalls nicht für längere Zeit. Ein kleines Intermezzo brachten lediglich die Jahre 2003 bis 2005, in denen Saringer die Pressestelle von Premiere Austria leitete. Aber selbst da zeichnete sie zusätzlich für die Talksendung „simple moor“ des Schauspielers Dieter Moor verantwortlich. Nach ihrer Rückkehr zu ATV (das damals vorübergehend „ATV plus“ hieß) im Juli 2005 wurde die großgewachsene Frau mit der markanten Helmfrisur zum Gesicht der täglichen Abendnachrichten. Seit 2009 leitet sie die Dis­kussionssendung „Am Punkt“ und präsentiert überdies das Doku-Format „ATV Dokument“. Und sie tritt an, wenn an Wahlabenden die Unterschiede zwischen Nachrichtensendung, Magazin und Studiodiskussion obsolet werden, weil alles in einer langen, nicht vorher planbaren Live-Strecke zusammenläuft. So wie am 3. März 2013, dem Tag der Landtagswahlen in Kärnten und Niederösterreich, für die Sylvia Saringer ihre Babypause unterbrach. Sohn Tim ist 15 Monate alt und gilt eigentlich immer noch als derzeit offizielle Hauptbeschäftigung der TV-Journalistin. Aber wenn in Klagenfurt die Politszene völlig auf den Kopf gestellt wird und am selben Tag Niederösterreich beweist, dass es einer anderen Galaxis angehört als das restliche Österreich – dann lohnt es sich schon, das gemütliche Häuschen beim Neusiedlersee zu verlassen und sich unter das gleißende Scheinwerferlicht des Studios in der Wiener Praterstraße zu setzen. Dabei ist ihr erstmals aufgefallen, wie anstrengend diese stundenlange Dauerpräsenz sein kann, permanent auf Sendung, ohne Pausen, ohne die Möglichkeit, sich zwischendurch zu besprechen oder Irrtümer zu korrigieren. „Früher war mir gar nicht bewusst, wie sehr einen solche Sendungen auch körperlich hernehmen. Nach dem Wahlabend hatte ich einen Muskelkater und war tagelang erschöpft.“ Und hoffentlich auch ein bisschen zufrieden, denn die Fernsehkritik stellte der Nachrichtenshow von ATV ein besonders gutes Zeugnis aus: aktuell, dynamisch, von hoher Relevanz – immerhin saßen bereits um 16 Uhr, gleich nach dem Eintreffen der Ergebnisse aus Kärnten, fünf Nationalrats-Klubobleute im Studio. Genau dieses Zusammentreffen von Tempo und Vielfalt fordert der Moderatorin Höchstleistungen ab. Schließlich muss sie den Ablauf der Sendung im Griff haben, die ständig wechselnden vorläufigen Ergebnisse blitzschnell vortragen, die Schaltungen zu den Einstiegen der Reporter in Klagenfurt und St. Pölten begleiten, muss ihre Zuwendung möglichst sichtbar den Zuschauern widmen, während sie via Kopfhörer den Anweisungen des Regisseurs zuhört und gleichzeitig noch eine Studiodiskussion mit fünf erregten Parteigranden am Laufen hält. „Der ständige Lärm im Kopf ist die Herausforderung. Und die beiden Werbeblöcke erlauben auch keine wirkliche Pause, weil man ja mit den Studiogästen weiter reden muss, und daneben tausend Details für den nächsten Einstieg bespricht.“

Am Stehtisch im Studio bei ihrer Sendung „Am Punkt“ hat sie nicht nur ihre Scheu vor leibhaftig anwesenden Menschen abgelegt, sondern im Gegenteil sogar das direkte Feedback schätzen gelernt. „Man sieht, wie die Gäste aufeinander reagieren, man merkt, wo sich einer Notizen macht oder wie er auf eine Frage reagiert. Das ist ungleich spannender als die sterile Ruhe des Nachrichtenstudios.“ Mehr noch: In der Gesprächsrunde muss auch die Moderatorin frei reden, sie kann sich weder auf vorgeschriebene Texte verlassen noch vom Teleprompter ablesen. „Da habe ich gemerkt, dass das konzentrierte Lesen und das freie Formulieren zwei völlig unterschiedliche Hirnfunktionen sind. Man kann das nicht mischen und nur schwer von einem auf das andere umschalten.“ Nach fortgeschrittener Dauer der Diskussion dürfen auch Zuschauer in der Sendung anrufen und Fragen stellen; das sorgt zusätzlich für eine gewisse Erdung und eine größere Nähe zu den Menschen vor den Fernsehschirmen. Allerdings: Dass da mehrere Hunderttausend sitzen und zusehen – diese Vorstellung muss Sylvia Saringer nach wie vor „völlig ausblenden, damit es mich nicht aus dem Konzept wirft. Ich moderiere manchmal Veranstaltungen, da irritiert es mich immer noch, wenn richtig viel Publikum dabei ist.“ An das Feedback aus dem privaten Umfeld hat sich die 42-jährige mittlerweile gewöhnt. Saringer verbringt viel Zeit daheim im Burgenland, wo sie natürlich oft aufs Fernsehen angesprochen wird, wenn sie mit dem Kinderwagen durch die Felder wandert. Sie lebt seit 2010 mit dem Ö3-Wetterfrosch Marcus Wadsak zusammen – eine Verbindung, durch die sich die Journalistin unversehens in der Kategorie „Glamour-Paar“ wiederfand und sich rasch an das Interesse des Boulevards an ihrem Privatleben gewöhnen musste. Seither beantwortet sie auch Fragen zu Familie und Beziehung, aber wirklich Freude hat sie nicht damit: „Ja, Markus ist der Mann fürs Leben. Nein, wir sind nicht verheiratet. Nein, ich weiß nicht, ob und wann wir das je vorhaben. Nein, wir planen kein zweites Kind. Damit können wir das jetzt abhaken, oder?“ Im Jänner 2012 kam der gemeinsame Sohn Tim zur Welt. Die anschließende Babypause war „die interessanteste Zeit in meinem Leben“, gesteht sie. „Das erste Jahr habe ich mich tatsächlich weitgehend ausgeklinkt, meist nicht einmal Zeitungen gelesen.“ Nach und nach lernte sie auch die Natur am Neusiedlersee lieben, schätzt lange Spaziergänge in den Hügeln am Nordufer oder am Rand des Schilfgürtels. An den Wochenenden ergänzen oft die beiden Kinder, die Wadsak aus seiner ersten Ehe mitgebracht hat und die normalerweise bei ihrer Mutter leben, die Familienidylle. Im Sommer besteigt Saringer gern ein Wassersportgerät, das „Stand up Paddle“ heißt und wie geschaffen für die flachen Gewässer des Burgenlands scheint. Man steht dabei auf einem Surfbrett und nimmt Schwung mit einem langen Ruder. „Wunderbar erfrischend und viel anstrengender, als es aussieht. Eine Art Nordic Walking auf dem Wasser.“ Zum Start des letzten unerfüllten privaten Projekts hat allerdings auch die entspannte Lebensphase der letzten 15 Monate nicht gereicht. Sylvia Saringer möchte gern Gitarrespielen lernen. Das Instrument hat sie schon, aber „das Stück steht ungebraucht in der Ecke“. Und das, obwohl Partner Markus seine Sylvia liebend gern die Saiten schlagen sähe, weil der Ö3-Mann selbst höchst aktiver Hobbymusiker ist, der Klavier, Gitarre und noch einiges andere mit Freuden traktiert. „Er sagt immer: Komm her, ich zeig’ dir drei Akkorde, damit kannst du neunzig Prozent der Stücke begleiten. Aber selbst dazu konnte ich mich noch nicht durchringen. Aber die Motivation steigt, weil auch Tim schon auf der Gitarre herumzupft. Ich muss es wohl lernen, bevor der Sohn es kann.“

„Müsste ich wählen, wäre ich lieber Redakteurin als Moderatorin. In der Vorbereitung einer Sendung steckt die eigentliche journalistische Leistung, das Moderieren rundet’s nur ab.“
Sylvia Saringer

Die Sendung „Am Punkt“ wird von Sylvia Saringer nicht nur moderiert, sie arbeitet auch an der redaktionellen Aufbereitung der Themen mit. „Das ist mir wichtig, weil dort die eigentliche journalistische Arbeit steckt. Das Moderieren finalisiert meine Arbeit, rundet sie ab. Mir ist aber der journalistische Part wichtiger als die Präsentation.“ Überraschende Ergänzung: „Wenn ich wählen müsste, wäre ich lieber Redakteurin als Moderatorin. Ich hätte kein Problem damit, eine Sendung zu gestalten, die dann ein anderer moderiert. Aber natürlich bin ich froh, dass ich bei ATV beides machen darf.“ Für ihre Sendung ist die Kombination aus Redaktion und Präsentation deshalb wichtig, weil „ich dann einfach im Thema besser drin bin. Ein Politiker kann mich nicht so leicht aufs Glatteis führen, wenn ich wirklich eingelesen bin und nicht nur das weiß, was auf meiner Moderationskarte steht.“ Ohnehin können sie rhetorische Tricks und psychologische Winkelzüge nicht so schnell aus der Fassung bringen, da die TV-Talkerin vor acht Jahren neben ihrem Job eine Ausbildung als Psychotherapeutin absolviert und dabei auch das sogenannte „Neurolinguistische Programmieren“ – kurz NLP – erlernt hat. Allerdings reagiert sie verärgert, wenn sie auf diese Methode angesprochen wird, die in den neunziger Jahren als Instrument zur Analyse und Therapie zwischenmenschlicher Kommunikation in Mode war und bald in den Ruf geriet, ein Mittel zur Manipulation von Gesprächspartnern zu liefern, das bei rechtspopulistischen Politikern zum regulären Handwerkszeug gehört. Jörg Haiders legendäre Fähigkeit, in Streitgesprächen stets die Oberhand zu behalten und auf noch so präzis gestellte harte Fragen ausweichend zu antworten, wurde stets mit seinem NLP-Training begründet.

Alles Unsinn, ärgert sich Saringer. „NLP war einfach eine Behandlungsmethode, hinter der einige der berühmtesten Therapeuten der jüngeren Geschichte stehen. Man ist dahinter gekommen, dass gestörte Beziehungen immer mit gestörter Kommunikation zu tun haben und hat typische Sprachmuster analysiert, in denen sich diese falsche Art des Miteinander-Umgehens manifestiert. Die Leute sind, so sagt diese Theorie, sprachlich falsch programmiert; die Therapie versucht, diese Programmierung zu ändern.“ Und wie lässt sich so etwas für politische Diskussionen einsetzen? Hilft es, Klub­obleute und Parteichefs vor laufender Kamera gleich einmal virtuell auf die Couch zu legen? Saringer lacht: „NLP in einer Live-Diskussion ist Blödsinn. Ich kann lediglich sagen, dass ich durch die psychotherapeutische Ausbildung insgesamt gelernt habe, besser auf Gesprächspartner einzugehen, auf Kleinigkeiten in ihrer Kommunikationsweise zu achten.“ Und der Vorwurf der Manipulation? „Mit Sprache können Sie immer manipulieren, dazu braucht es keine Therapiemethode. Aber glauben Sie nur nicht, dass die Zuschauer das nicht merken. Politische Sendungen haben ein skeptisches Publi­kum, die Leute sind gewöhnt, bei weitem nicht alles zu glauben, was sie da hören und sehen.“ Gesunde Skepsis ist auch ein Persönlichkeitsmerkmal der Medienlady, aber eines, das sie erst im Laufe der Jahre durch den Umgang mit Profipolitikern erworben hat: „Mitunter wundere ich mich immer noch, wie unterschiedlich der Ton zwischen den Akteuren ist, je nachdem, ob die Kamera läuft oder nicht. Politik im Fernsehen ist einfach viel Show, da dürfen wir uns nichts vormachen.“ Außerdem hat sie am eigenen Leib erlebt, wie schnell man Vorurteilen erliegen kann. In ihrem Fall waren es kulturelle Ressentiments gegen Frankreich. „Ich kannte das Land nicht wirklich, habe es aber auch lange Zeit gemieden, ausschließlich aufgrund negativer Stereotype: dass die Leute dort arrogant sind und eine snobistische Ausländerfeindlichkeit pflegen, nicht Englisch reden und jeden absichtlich miss­verstehen, der Französisch mit Akzent spricht, alle diese Klischees eben.“ Lebenspartner Markus überredete sie dann zu einem Kurztrip nach Saint-Tropez, der zum Erweckungserlebnis wurde. „Ich war begeistert. Von der Land­schaft, von den Leuten, von der Atmos­phäre. Zwei Wochen später haben wir dann gleich eine Reise nach Paris angehängt. Seither freue ich mich jedes Mal auf den nächsten Frankreich-Trip und habe gelernt, dass man nie ein Urteil fällen soll, ohne sich die Sache selber einmal anzusehen.“ Ob die Zeit für Urlaube reichen wird, wenn beide Eltern mit voller Kraft an ihren Karrieren basteln und die Kinder überdies nicht zu kurz kommen sollen? Aber ja, meint Sylvia Saringer und zitiert ihr Lebensmotto. Es basiert auf einer Erkenntnis, die sie bereits in der Schulzeit gemacht hat und die ihr auf dem Höhepunkt ihrer beruflichen Überforderung erneut in den Sinn kam. Als sie nämlich im Taxi viel zu spät zum Flughafen unterwegs war und gleichzeitig viel zu spät ein Telefonat zu erledigen versuchte, als sowohl die Deadline für die Recherche als auch das Boarding für den Flug unerbittlich näher rückten, da fiel ihr das Motto plötzlich wieder ein, das da lautet: „Es geht sich immer alles aus.“
Das Interview führte Walter Hirtenberger.