Zwei Millionen Österreicher stellen nach ihr die Uhr. Wenn das zurückhaltende Lächeln Danielle Speras auf dem Bildschirm erscheint, beginnt offiziell der Abend – und das seit 21 Jahren. Dennoch hat es die Journalistin geschafft, ihr Privatleben aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. 

Den Anfang machte ein Vulkanausbruch. Im Sommer 1978 spie der Poás in Costa Rica wieder einmal Feuer und Lava, bedrohte sogar die nahegelegene Hauptstadt San José. Dem ORF war das Naturschauspiel eine kleine Meldung in den Abend­nachrich­ten wert, genau die richtige Arbeit für die Publizistikstudentin, die gerade in der Auslandsredaktion Dienst machte. So entstand Danielle Speras erster Beitrag fürs Fernsehen, dessen Ergebnis sie selber zwar in ihrer geplanten Berufswahl bestätigte, die skeptischen Eltern freilich gar nicht überzeugen konnte. „Die waren entsetzt“, erinnert sich die Journalistin, „sie wollten immer, dass ich das Lehramt ergreife. Das ist ein sicherer Beruf für eine Frau, haben sie mir gesagt. Deshalb habe ich auch brav zwei Semester Englisch und Französisch gemacht, bevor ich erkannte, dass mein Lebensziel anders aussieht.“ Heute sind Herr und Frau Spera natürlich stolz auf die Tochter, schließlich können sie sich seit 1988 darauf verlassen, sie abends in der „Zeit im Bild 1“ zu sehen, womit sie es auf eine Kontinuität der Bildschirm-Präsenz bringt, die beinahe schon an NBC-Legende Ted Koppel heranreicht (dessen Gesicht die Zuseher 25 Jahre lang nicht mehr missen wollten). Während die männlichen Co-Moderatoren kamen und gingen – Josef Broukal, Horst Friedrich Mayer, Martin Traxl, Tarek Leitner – blieb Danielle Spera fester Anker des beginnenden Hauptabendprogramms. Davor allerdings wähnten die Eltern jahrelang ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt, denn die Jungjournalistin warf sich auf die rastloseste Form des Nachrichtengeschäfts – Reportagen aus internationalen Krisenzonen. „Außenpolitik hat mich einfach mehr interessiert, als die Diskussion um Pensionsreform oder Landtagswahlen“. Spera drehte Beiträge in Zypern, in Griechenland, in Amerika: „Am meisten habe ich damals von zwei Kolleginnen gelernt, die mich unter ihre Fittiche nahmen, nämlich Ursula Stenzel und Antonia Rados, denen bin ich bis heute dankbar.“ Beide Damen kehrten dem ORF bald den Rücken: Rados machte sich als Hot-Spot-Reporterin bei RTL, NTV und ZDF in Deutschland einen Namen, Stenzel wechselte in die Politik.

„Das Fernsehen der Zukunft?
Seriöse Nachrichten werden immer gefragt sein.“
Danielle Spera

Für Spera dagegen brachten die Auslandseinsätze 1986 sogar eine Begegnung mit ihrem Vulkan: „Das war im Vorfeld der Wahlen, bei denen dann Óscar Arias Sánchez zum Präsidenten von Costa Rica gewählt wurde. Mittelamerika war damals Krisenzone, deshalb hat man mich hingeschickt. Und natürlich fuhr ich auch zum Poás, weil ich neugierig war, wie der in Natur aussieht – heiß, ris­kant, eindrucksvoll.“ Ähnlich ließe sich auch über Speras Wechsel ins ZiB-Studio sagen, der ihr nach einem Jahr als Korrespondentin in Washington sehr abrupt angeboten wurde, unter Begleitum­ständen, die den Moderatorensessel zum heißen Stuhl machten. 1988 war nämlich Margit Czöppan als Moderatorin plötzlich abgezogen worden, angeblich, weil sie dunkle Haare hatte, das Publikum aber nach einer Blondine lechzte. Jedenfalls schrieben das damals die Zeitungen, die Gerüchte verdichteten sich zur Affäre mit frauenfeindlichen Untertönen, der ohnehin bereits angeschlagene ORF-General Teddy Podgorski kam politisch zusätzlich unter Beschuss. Danielle Spera bewies Nerven, ihr souveräner, ruhiger Stil ließ die Frage der Haarfarbe schnell in den Hintergrund treten: „Das war eine ziemliche Herausforderung. Umso mehr habe ich mich dann über den Erfolg gefreut.“ Und lebt seither einen Tagesrhythmus, bei dem die Arbeit in der Regel um 12 Uhr beginnt und nach 20 Uhr endet – besser gesagt, die offizielle Arbeit, denn wie viele Journalisten ist die Frau mit dem unverwechselbaren, leicht nasalen Timbre unheilbar mit dem Ich-will-informiert-sein-Virus angesteckt, sodass sie jeden Morgen, auch am Wochenende und im Urlaub, eine kräftigen Dosis Medienkonsum braucht. „Ich bin ein totaler News-Junkie“, gesteht Spera unverblümt, „in der Früh drehe ich schon CNN auf, noch bevor ich die Kinder wecke. Dann zappe ich hin und her zwischen ORF-Teletext, NTV und den Morgenmagazinen von ZDF und ARD.“ Dazu kommen nicht nur die üblichen Stöße an österreichischen Zeitungen, sondern auch New York Times und die israelische Haaretz: „Davon gibt es eine englische Ausgabe, sehr gut gemacht, auch Online, außerdem schätze ich die Süddeutsche und die NZZ. Den Falter lese ich jede Woche, und die Weltwoche, vom Economist zumindest den Leitartikel…“ Ein ungestümes Aufbäumen des Handys unterbricht die Aufzählung. Eine Freundin ist dran, will wissen, ob die geplante Urlaubsreise klappen wird, ein paar Tage Schladming mit dem Mann und den drei Kindern. Soziale Kontakte spielen eine wichtige Rolle im Leben der Moderatorin, so sehr, dass sie sich über freie Tage freut, an denen sie Freunde treffen kann, für die sie sonst keine Zeit hat. Und die Familie natürlich, die geht im Zweifel immer vor. Danielle Spera hat sich erst spät auf Eheglück und Kindersegen eingelassen, aber nicht, weil sie das so geplant hätte oder durch Karriere und Job verhindert gewesen wäre – es hat sich einfach ergeben. „Ich war 37, als ich den Mann kennenlernte, der für mich der richtige war. Danach ging es schnell. Dass ich da meinen Berufsweg schon geebnet hatte, war aber sicher ein Vorteil, ich hatte nie das Gefühl, etwas zu versäumen, wenn ich mich auf die Familie konzentriere.“ Außerdem spricht einiges dafür, dass so etwas wie ewige Jugend in den Genen des Spera-Clans angelegt wurde: „Ich habe eine Großtante, die ist 86 und eine wirkliche Schönheit, ohne im Geringsten nachgeholfen zu haben. Die ist aber auch im Kopf und im Herzen jung, darauf kommt es stark an.“

Weshalb die Moderatorin neben der körperlichen Fitness – sie spielt Tennis und geht einmal in der Woche turnen – auch Wert darauf legt, sich selber intellektuell immer wieder zu fordern. Dazu gehört eine vertiefte Auseinandersetzung mit ihrer Religion, wozu sie regelmäßig eine Gesprächsrunde bei Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg besucht: „Das ist eine Mischung aus Belehrung und Diskussion über Daseinsfragen, philosophische Fragen, durchaus in einem weiteren Sinn.“ Spera prak­tiziert ihre Religion aktiv, arbeitet in der Kultusgemeinde mit und schreibt auch regelmäßig für die jüdische Zeitschrift „Nu“, einem engagierten und zugleich widerborstig-aufmüpfigen Medium, das sich mit Politik, Kultur und den Widrigkeiten des Alltags aus einer prononciert Wiener jüdischen Sicht befasst. Nach außen will Spera von ihrem Judentum aber kein großes Aufheben machen – sieht man von der augenzwinkernden Konzession ab, dass sie eine groovige Klezmer-Version von „Hava nagila“ als Handy-Klingelton benutzt. Nur ganz am Anfang ihrer ZiB-Karriere wurde sie mit Ressentiments konfrontiert. Wer in den Untiefen der ORF-Kundendienst-Archive wühlte, würde auf einige antisemitische Rülpser rund um ihren Start als Moderatorin 1988 stoßen, aber das ist zum Glück lange her. Die bildende Kunst gehört ebenfalls zu den Lebensinhalten, die das tägliche Leben gestalten. Spera und ihr Ehemann, der Psy­choanalytiker Martin Engelberg, sammeln zeitgenössische österreichische Maler, mit den meisten davon gibt es auch persönliche Bekanntschaften – Herbert Brandl, Gunter Damisch, Christian Ludwig Attersee, auch Maria Lassnig: „Eine faszinierende Frau, diese Kraft, diese Klarheit des Blicks – das kann man nur bewundern.“ Die engste Beziehung besteht zu Hermann Nitsch, mit dem die ORF-Lady seit ihrer Studentenzeit befreundet ist – „Da war ich Teil einer Gruppe, der auch Künstler und Kunsthändler angehörten, alle damals am Anfang ihrer Berühmtheit und noch in ihrer wilden, rebellischen Phase.“ Die Freundschaft hielt. Nitsch-Ehefrau Rita wurde Speras Trauzeugin bei deren Hochzeit 1994, sie selber brachte 1999 das Buch „Hermann Nitsch – Leben und Arbeit“ heraus, die erste große Biografie des Malers und Aktionskünstlers. „Das war ein Langzeitprojekt“, schmunzelt die Autorin, „in jeder Hinsicht.“ Erste Texte entstanden schon 1995 für den Katalog zu einer großen Nitsch-Ausstellung. Als feststand, dass daraus ein umfassendes Buch werden sollte, dauerte es noch ein paar Jahre, bis der geduldige Brandstätter-Verlag die Arbeit endlich zum Druck geben konnte. Das Abwarten zahlte sich aber aus, denn das Buch wurde ein echter Longseller, dem Prachtband folgte bald eine Taschenbuchausgabe, und demnächst soll das Werk auch auf Englisch erscheinen, denn die Briten haben den bärtigen Schüttbild-Patriarchen aus dem Weinviertel erst kürzlich so richtig entdeckt. Aber das Buch muss natürlich vorher gründlich überarbeitet und aktualisiert werden, was sowohl die Biografin, als auch den Maler derzeit sehr beschäftigt. Durchaus möglich, dass sich die Sache wieder ein bisschen in die Länge zieht…

„Ich war 37, als ich meinen Mann kennenlernte.
Seither hat die Familie Vorrang.“
Danielle Spera

Ein bisschen paradox findet Spera die Tatsache, dass sie bei aller Nähe zur Kunst und den Künstlern nur im Urlaub dazu kommt, wirklich ausgiebig durch Museen und Galerien zu laufen. „Da bemühe ich mich, auch die Kinder mitzunehmen, weil die das sehr interessiert, vorausgesetzt, dass die Museen ihre Schätze kindgerecht präsentieren.“ In dieser Hinsicht hat sie eine Führung durch das Museum of Modern Art in New York besonders beeindruckt: „Das war pädagogisch erstklassig, und so informativ, dass man auch als Erwachsener gern dabei geblieben ist. Die Führerin hat sich nur etwa ein Dutzend Bilder gezielt herausgepickt, dann wurde der Raum abgeschirmt, die Kinder konnten sich auf den Boden setzen, zuhören und schauen, und natürlich gab es auch Heftchen zum Mitnehmen. Ein echtes Erlebnis.“ Dass die Kinder danach noch auf der Homepage des MoMa herumsurften, gehört ohnehin zum gewohnten Informationsverhalten der nächsten Generation. Was aber wird das Internet mit dem Fernsehen anstellen? Wie lange wird die ZiB 1 noch die wichtigste Informationsquelle für die Österreicherinnen und Österreicher bleiben? Darüber hat die Frau, die der Sendung seit 21 Jahren ihr Gesicht gibt, schon einige Male nachgedacht. Mit gemischtem Ergebnis: „Junge Leute setzen sich nicht zu einer festen Zeit vor den Fernseher. In Zukunft wird man das Publikum nur mit Sendungen erreichen, die man auch danach im Internet abrufen kann.“ Aber der Bedarf an einem Leitmedium, das verlässlich seriöse Berichterstattung liefert, wird bestehen bleiben, davon ist Danielle Spera überzeugt: „Wie man an der Quote sieht, ist diese Art von Nachrichtensendung weiterhin höchst gefragt. Dass die Österreicher um 19:30 die ZiB 1 aufdrehen, daran wird sich wohl so schnell nichts ändern.“