Unfreundliche Verkäufer, patzige Rabauken am Kundentelefon, arrogante Fachärzte: Worüber andere sich gelegentlich ärgern, das ist Barbara Muchas täglicher Job. Als Herausgeberin von Zeitschriften machte die Unternehmerin ihren Namen zum Markenzeichen – und sich selbst zum Shopping Muffel.

Irgendjemand hat auf dem Aktenschrank hinter Barbara Muchas Schreibtisch übriggebliebene Parfumfläschchen abgestellt, mindestens hundert in allen erdenklichen Formen. Aufwendig geschliffene Kristallflakons lehnen an scheinbar dünnwandigen Glaskolben, hinter saphirblauen Halbkugeln verstecken sich winzige Miniaturphiolen. Die meisten stehen schon so lange hier, dass sie kaum noch Duft verbreiten. Nur wer etwas näher herangeht, nimmt noch die feine Mischung aus Lilien und Limetten, Moschus und Maiglöckchen wahr, die über diesem seltsamen Stillleben liegt. Barbara Mucha hat die Flaschen schon fast vergessen. „Die stammen von Testkäufen“, schmunzelt die Verlegerin nach einem beiläufigen Blick über die Schulter. Dann zieht ein feines Lächeln über ihre dunklen Augen: „Ich verwende nichts davon, die meisten wären für meinen Typ viel zu schwer.“ Testkäufe – klar, die gehören zum Kerngeschäft der Barbara Mucha Media GmbH. Seit mehr als 20 Jahren befasst sich die gelernte Journalistin mit dem Spezialgebiet der kritischen Konsumenteninformation. Hinter dem zum Markenzeichen gewordenen Namen steht ein Verlag mit einem halben Dutzend Publikationen. Jedes Jahr schwärmen 15 Redakteure und 60 anonyme Tester aus und sehen sich mehr oder weniger unauffällig in Boutiquen, Parfümerien, Schuhhäusern, Textilketten und Supermärkten um – und überall sonst, wo Menschen als zahlende Kunden behandelt werden wollen, von A wie Arztpraxis bis Z wie Zeitungskiosk. Die Besuchten dürfen sich über eine Form der Aufmerksamkeit freuen (oder ärgern), die sonst nur für Bühnenschauspieler und Spitzenköche selbstverständlich ist: ihre Leistungen werden akribisch kritisiert. Da gibt es dann süffisante Geschichten zu lesen, wie die von der Boutiquenbesitzerin, die im Geschäft mit ihren Freundinnen Champagner schlürfte und die Kunden einfach warten ließ. Fast schon wieder amüsant ist der Fall, wo eine Testerin im Kaufhaus ein Kleid anprobierte – und der Verkäufer bei ihrem Anblick ungeniert loslachte. Ein Supermarkttest enthüllte Fälle von 13-Jährigen, die harte Alkoholika kaufen konnten, ohne an der Kasse auch nur nach dem Alter (geschweige denn dem Ausweis) gefragt zu werden. Eine Rundreise durch Österreichs Thermen förderte ein erschreckendes Maß an Unwissen bei Rezeptionisten und sonstigen Mitarbeitern über das eigene Angebot und dessen Wirkung zutage.

„Es ist immer wieder erschütternd, wie schwer es Frauen in Führungspositionen selbst heute noch gemacht wird. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie das ist, wenn man Verantwortung trägt, aber nicht ernst genommen wird.“
Barbara Mucha

Seit 1992 bewährt sich die Testzeitschrift Die Mucha auf dem Markt. Auch die zugehörige Internet-Seite blickt inzwischen auf fast elf Jahre Online-Präsenz zurück. www.diemucha.at nennt sich selbst treffend die „erste Website für Kundenfrust“. Sie enthält ein wundervolles Sammelsurium an Schnappschüssen aus dem Alltag, draußen an der österreichischen Konsumfront. Entnervte Kaufhausbesucher und geneppte Internet-Shopper laden hier ihren Kummer ab, genauso aber finden sich die kleinlichen Vorwürfe notorischer Nörgler. Die eine berichtet über einen im Versandhandel günstig gekauften Fernseher, der nach einem Jahr kaputtging, worauf ihr die Dame am Kundentelefon ausrichtete: „Was wollen’s, war doch eh günstig.“ Ein anderer wieder ist böse auf ein Kaufhaus – weil das seinen bereits abgelaufenen Gutschein nicht mehr einlösen wollte. „Als wir 2000 online gingen, war die Wirtschaft besorgt, dass die Seite nur Querulanten anziehen würde. Aber es zeigte sich schnell, dass die ganze Bandbreite von positiven und negativen Kommentaren vertreten ist“, resümiert die Verlagschefin, „außerdem gibt es auf nahezu jeden Eintrag wieder Kommentare von anderen Usern. In Summe entsteht ein durchaus faires, realistisches Bild.“ Das sehen natürlich nicht alle Betroffenen so. Vor allem in der Anfangszeit des gedruckten Test-Guides musste Barbara Mucha nach jeder Ausgabe wütende Firmenchefs am Telefon besänftigen. Billa stornierte eine ganze Reihe von Inseraten, als Reaktion auf Tests im Zuge des Fleischskandals von 2001. Böse Anwaltsbriefe und mündliche Klagsdrohungen trudelten ein. Manche machten sie auch wahr, wie zum Beispiel die ewig junge Schauspielerin Christine Kaufmann. Die musste nämlich 2002 in einer Story über Schönheitschirurgie als Demonstrationsobjekt herhalten. Ein Beauty-Doktor erläuterte anhand von Vorher-Nachher-Fotos, wo überall Frau Kaufmann dem Walten der Natur kunstvoll Einhalt geboten hätte. Die deutschen Illustrierten waren begeistert und zitierten den Artikel in allen Details. Die Mimin klagte. „Den Prozess haben wir verloren“, räumt die Mucha freimütig ein, „aber die Werbewirkung war kolossal“.“ Die Wirtschaft hatte zu diesem Zeitpunkt längst entdeckt, dass sie die frechen Tester auch für sich nutzen könnte – schließlich kann es ja nicht schaden, Schwachstellen rechtzeitig selber zu erfahren. Der Elektrodiskonter Mediamarkt war einer der ersten. Nachdem gleich mehrere Filialen schlecht abgeschnitten hatten, rief der damalige Österreich-Boss der Kette, Gerhard Sandler, bei Barbara Mucha an und fragte: „Wollen Sie nicht einmal in unserem Auftrag alle unsere Läden testen?“ Es war die Geburtsstunde eines neuen Geschäftsfelds, nämlich des „Mystery Shopping“ – ein Name, den sich die Verlegerin übrigens als Marke schützen ließ, auch wenn er inzwischen als allgemein üblicher Begriff in den Sprachgebrauch eingegangen ist.

Schon 1990 stand ein Erweckungserlebnis ähnlicher Art am Anfang von Barbara Muchas Karriereweg. Damals war sie gerade einmal 22 und studierte Jus. Nebenbei arbeitete sie als Model und als Journalistin bei Zeitschriften wie dem Wiener. Die bildhübsche Kärntnerin verfügte also durchaus über ein bisschen Taschengeld und kannte sich überdies mit Mo­de ganz gut aus, als sie sich in eine schicke Wiener Boutique verirrte. Was dann passierte, bringt noch heute beim Erzählen ihre Stimme zum Klirren: „Mir fiel ein sehr schöner weicher Kaschmirpullover in die Augen. Ich wollte ihn probieren, aber die Verkäuferin sagte: ,Den können Sie sich doch sowieso nicht leisten.‘ Gegen Arroganz dieser Art bin ich extrem allergisch.“ Als sich die Gelegenheit bot, einen Verlagsmantel zu erwerben, griff sie zu. 1992 erschien erstmals das völlig neuartige Testblatt Die Mucha. Das Konzept lautete von Anfang an: Nur Härte bringt Glaubwürdigkeit. Die junge Herausgeberin widerstand Beschimpfungen ebenso wie allen Versuchen, durch Inserate ein milderes Urteil zu erkaufen. „Lächelnd und lieb kann man nicht viel erreichen“, findet sie noch heute. Den Namen „Mucha“ hatte sie kurz davor durch Heirat erworben. Ihr damaliger Mann: der schillernde Wiener Zeitschriftenmacher Christian W. Mucha, bekannt durch sein Werbe- und Medien-Fachblatt Extradienst sowie durch seinen extravaganten Lebensstil, zu dem weiße Lederschuhe und ein Rolls-Royce ebenso gehören wie ein Schloss und champagnerträchtige Empfänge. Die Ehe hielt immerhin 18 Jahre, obwohl flamboyante Selbstinszenierungen überhaupt nicht nach Barbaras Geschmack sind. „Luxus zu zeigen, ist mir peinlich“, meint sie trocken. „Und wenn ich als Frau einen Rolls fahre, halten mich alle für eine Puffbesitzerin.“ Heute ist das Verhältnis zum Ex entspannt, aber distanziert. Der Verbindung von Barbara und Christian entsprangen zwei Töchter, die ihren Vater „regelmäßig, aber nicht allzuoft“ sehen. Christian hat im Mai 2010 wieder geheiratet. Bei seiner medial üppig inszenierten Hochzeit mit Ekaterina Soboleva waren die Mädchen natürlich dabei – Barbara „selbstverständlich nicht“. Die ältere ist inzwischen sowieso schon fast erwachsen – und hat ihren besonderen Platz in der Geschichte des Familienunternehmens. Als Barbara nämlich 1992 zum ersten Mal schwanger war, kam ihr die Idee zu einer Zeitschrift für genau jene Zielgruppe, der sie nun plötzlich selber angehörte: angehende Mütter, Kleinkind-Eltern, Jungfamilien. Der Baby-Express erblickte noch vor der Tochter das Licht der Welt – was dazu führte, dass die Mutter „bis zum letzten Tag vor der Entbindung arbeitete, und ein paar Tage danach auch gleich wieder. Ich würde das keiner empfehlen, aber damals war ich so begeistert, etwas aufbauen zu können, da hab’ ich mir keine Pause gegönnt.“ Fast scheint es, als wären auch die weiteren Zeitschriftengründungen dem Lebensweg der Verlegerin gefolgt. Auf die Baby-Zeitschrift folgte nämlich Familienwelt für die etwas älteren Kinder, später Austrian Business Woman, das sich an Frauen in führenden Wirtschafts-Positionen wendet. Von der Zielgruppe des Magazins Signora ist die Mucha allerdings noch weit entfernt – diese Illustrierte wendet sich an ältere Frauen: Ich bin besonders stolz darauf, dass wir diese Zielgruppe bereits 1994 entdeckt haben. Heute werden die Menschen über 50 ja schon von allen Seiten heftig umworben…“ Der Gruppe der Frauen in der Wirtschaft fühlt sich Barbara Mucha vor allem deshalb verbunden, weil sie „aus eigener Erfahrung weiß, wie hart es sein kann, wenn man Verantwortung trägt, aber vom Gegenüber nicht ernst genommen wird“. Ihr selbst wollte am Anfang ihrer Laufbahn niemand abnehmen, dass sie die Chefin und sogar Eigentümerin ihrer Zeitung war. „Manchmal hat man mir am Ende von Verhandlungen über Inserate gesagt: Klingt interessant, aber kommen Sie doch nächstes Mal mit ihrem Vater.“ Mit ein Grund, warum sie sich auf der Homepage und auf Plakaten als Teufelin mit Engelsgesicht, aber scharfen Hörnern abbilden lässt? Wieder dieses Schmunzeln, auch wenn die Augen diesmal kämpferisch blitzen: „Das ist doch ein gutes Symbol – wer Kunden schlecht behandelt, der wird auf die Hörner genommen.“ Jedenfalls muss sie dank solcher Eigenwerbung nach mehr 20 Berufsjahren niemandem mehr erklären, wer in ihrer Firma die Entscheidungen trifft, auch wenn die Mucha immer noch aussieht wie eine ihrer Jungredakteurinnen. In ihrem privaten Lebensstil hat sie ebenfalls die Phase hinter sich gelassen, wo sie sich unermüdlich selbst beweisen zu müssen glaubte. „Ich gönne mir jetzt öfter Auszeiten zum Reisen. Im Sommer sperren wir überhaupt den Verlag für drei Wochen zu. Ich habe eine befriedigende Work-Life-Balance gefunden.“ Und das luxuriös eingerichtete Badezimmer gleich neben dem Büro? „Aber nein, ich übernachte nicht am Arbeitsplatz. Das ist einfach nur praktisch, wenn wir hier Studiofotos mit Models machen, oder wenn man sich für einen Abendtermin umzieht.“

Die Wohnung in der Grinzinger Himmelstraße bleibt privates Refugium, das sie mit zwei Hunden und den beiden mittlerweile erwachsenen Töchtern teilt. Dort lässt sie sich am Wochenende nur ungern weglocken: „Außer zum Verreisen. Aber Bummeln in der Stadt strengt mich zu sehr an. Wenn ich für mich selbst Dinge besorgen muss, dann tu’ ich das lieber übers Internet. Ich gehe nicht gern einkaufen.“ Irgendwie klar – wer nimmt schon gern den Job ins Wochenende mit… Mitunter stellt sie sich nach einem Tag an der frischen Luft, mit Sport und Spazierengehen, zur Entspannung an den Herd. „Kochen macht mir Spaß, nur schau’ ich drauf, dass es leichte Sachen sind.“ Plötzlich fällt sie in die Sprachfärbung ihrer Kärntner Heimat, die sonst kaum durchzuhören ist: „I will jo net blad werd’n – dos wor i ols Kind.“ Auch zu Hause steht eine Parfumsammlung, aber ganz anders als im Büro. „Ich liebe herbe, geheimnisvolle Aromen, zum Beispiel Sandelholz. Wirklich gutes Parfum auf sich zu haben, gibt einem eine unglaublich positive Stimmung. Ich trage selten Düfte, aber wenn, dann sehr bewusst.“ Und was die Redaktionsräume betrifft – die sahen früher schon gelegentlich aus wie das Zwischenlager eines Benefiz-Flohmarkts. Seit aber im Frühjahr 2009 eine rumänische Einbrecherbande über den Bürotrakt herfiel, schauen alle Mitarbeiter drauf, wenigstens nichts Wertvolles dazulassen. Obwohl: Den größten Schaden richteten die Gauner damals an der Eingangstür an. Da die Alarmanlage sofort funktionierte, traf die Polizei ein, bevor die Diebe Computer, Faxgeräte und ähnlich sperriges Gut abtransportieren konnten. Es gelang ihnen aber, mit zwei Taschen voller wertvollem Kleinkram zu entkommen. Einer von ihnen wurde Monate später in Wels geschnappt und geradezu in CSI-Manier überführt. Er hatte im Mucha-Büro ein Brecheisen zurückgelassen, auf dem die Polizei seine DNS nachweisen konnte. Die Komplizen und die Beute blieben verschwunden, unter ihnen auch zwei Luxushandys, die am Tag nach dem Einbruch für ein Fotoshooting gebraucht worden wären. „Die waren nur geborgt und noch dazu richtig teuer“, seufzt Barbara Mucha. „Das eine davon hätte 7000 Euro gekostet.“ Die Taschen für den Abtransport des Diebsguts nahmen die Täter der Einfachheit halber auch gleich aus dem Büro mit. Es handelte sich um Bags von Louis Vuitton