Diese Schweden kleiden jeden: Der Modekonzern H&M demonstriert seit 1947, dass es nicht immer Luxus sein muss – auch mit dem Motto „Billiger als die anderen!“ lassen sich Milliarden scheffeln. 

Da gibt es diese Liste, aus der alle – vor allem Wirtschaftszeitungen – gern zitieren, obwohl sie über die reale Wirtschaft gar nicht so viel aussagt. 1416 Namen stehen da­rauf, im Gegensatz zu den gerade einmal 140, die es bei der Erfindung der „The World’s Billionaires“-Charts des amerikanischen Forbes Magazine waren. Dass wir uns heute über zehnmal so viele Milliardäre freuen dürfen als noch vor einem Vierteljahrhundert, mag etwas über die gesellschaftliche Entwicklung in diesem Zeitraum aussagen. Oder auch über die Inflation. Nur nicht über die Reichen und Superreichen selbst. Für die gilt weiterhin die Regel: Wer unbedingt in eine solche Liste aufgenommen werden will, hat sowieso keine Chance – und wer schon drin ist, dem ist das völlig egal. Weil er oder sie ohnehin so viel Geld hat, daß derartige Banalitäten keine Rolle mehr spielen.Für die globale Neidgesellschaft ist die Forbes-Milliarden-Hitparade jedoch ein gefundenes Fressen – genauso wie für Menschen mit Nationalstolz. Begeisterte Schweden zum Beispiel konnten sich 2012 darüber freuen, dass einer von ihnen auf Platz acht stand, mit 26 Milliarden Dollar: Stefan Persson, der Ex-Chef des Bekleidungs-Multis H&M. Aktuell ist der 66jährige Business-Tycoon zwar auf Platz 12 zurückgefallen, obwohl er sein Vermögen innerhalb eines Jahres um 2 Mrd. Dol­lar vergrößert hat; aber das liegt wohl da­ran, dass es mit Telekom-, Investment- und Lu­xus­konzernen nach Jahren der Krise noch schneller wieder aufwärts geht als mit Mode­firmen. Bleibt nur die bange Frage: Wie macht man so viel Geld?

Antwort 1: Engagiere Prominente

H&M – ausgeschrieben Hennes & Mauritz – hat das Image der Textilienkette für die McDonald’s-Generation: Mode immer am Puls der Zeit und zu Preisen, die weit unter denen der Konkurrenz liegen; gerade genug Qualität, dass die Kleidungsstücke eine Saison lang halten; perfekt inszenierte Werbephotos und -kampagnen. Es verwundert nicht, dass Firmengründer Erling Persson sich die Inspi­ration für sein Unternehmen im Mutterland der Fleischlaberlsemmeln holte: 1946 reiste der damals 34jährige Schwede, der im Laufe seines bisherigen Kaufmannslebens bereits mit Uh­r­en, Geldbörsen und sogar Weihnachtssternen gehandelt hatte, in die USA. Dort kam er auf die Idee, auch im alten, weltkriegsgeschüttelten Europa „disposable chic“ – also modische Kleidung zu günstigen Preisen und ohne lange Haltbarkeitsdauer – anzubieten. Ein Jahr später eröffnete Persson in der schwe­dischen Stadt Västerås die erste Filiale un­­ter dem Namen „Hennes“ – auf deutsch: „für sie“ und daher ausschließlich auf Damen­mode orientiert. Erst 1968, mit der Über­nah­me des Jagdbekleidungshändlers Mau­ritz Wid­forss, nahm er Herrenmode ins Sortiment auf; bald danach kam auch Kin­der­mode dazu, um Familien komplett einkleiden zu können. Der Firmengründer offenbarte kaum Inter­na aus seinem Unternehmen, gab so gut wie keine Interviews und hielt sich auch über sein Privatleben möglichst bedeckt. Deshalb hatte H&M in Schweden auch lange Zeit den Spitz­namen „Hemlig & Mystisk“ („Heimlich & Mystisch“).

Wie Persson es schaffte, aus seinen paar schwedischen Modegeschäften den zweitgrößten Textileinzelhändler-Konzern der Welt (nach Zara und vor Gap) zu machen, ist je­doch schon lange kein Geheimnis mehr: Die H&M-Manager setzen auf große Namen – sowohl auf Designerseite als auch bei den Werbeträgern: Supermodels wie Claudia Schif­fer, Gisele Bündchen oder Laetitia Casta sind einfach nicht genug, da müssen schon richtige Medien­lieb­linge her. So lässt sich etwa US-Popsternchen Lana Del Rey für die Promi-Promo ebenso gern und gut bezahlen wie Su­perstar Beyoncé – wenn man den Berühmt­hei­ten dann noch nach­sagen darf, dass sie selbst am Design der neuen Kreationen mitgewirkt haben, stehen die Fans garantiert Schlange. Das hat auch die australische Sängerin Ky­lie Minogue gemerkt, die bereits zweimal für H&M in den Werbekrieg zog und die knappen Bikini- und Sommeroutfits, die sie mitentworfen hatte, auch selbst auf großformatigen Pla­katen präsentierte. Madonna durfte bereits im Frühjahr 2007 eine Kollektion anbieten – und auch Vanessa Paradis, die Ex von Johnny Depp, die nach der Trennung wieder arbeiten muss, verdingt sich jetzt als Mo­dell für die schwedischen Modemacher. Sogar der britische Fußball-Star David Beckham darf bei H&M nicht nur „seine“ Unterwäsche­kol­lektion Bodywear, sondern auch gleich seinen mittlerweile fast völlig zutätowierten Körper in Anzeigen präsentieren, die man früher auch in Playgirl gern abgedruckt hätte. Seit fast einem Jahrzehnt kooperiert der Mode-Schwedenbomber auch regelmäßig mit bekannten Designern. Den Anfang machte Karl Lagerfeld im November 2004; es folgten limitierte Designer-Kollektionen von Elio Fior­ucci, Stella McCartney, Roberto Cavalli, Comme des Garçons, Jimmy Choo, Versace und Co. Die im Rahmen dieser Kooperationen angebotenen Kleidungsstücke und Accessoires sind zwar wesentlich teurer als die sonstige H&M-Ware, doch die Geschäfte können sich bei solchen Aktionen kaum vor dem Kunden­an­sturm retten. Die Leuchtkraft der Stars ist eben nach wie vor ungebrochen…

Antwort 2: Kleide die Menschen

Was IKEA für die Wohnungseinrichtung, ist H&M schon lange für die Mode: ein Teil des Lebenswegs junger und junggebliebener Menschen, irgendwann in beinahe jedem Haushalt vertreten – und wenn das Zeug einmal kaputt wird, macht’s auch nix. Auf diese Art erlangten beide schwedischen Firmen Kult­status und wurden zu Weltkonzernen. Hennes & Mauritz wagte sich 1964 aus der schwedischen Heimat, als Erling Persson die erste Filiale im Nachbarland Norwegen eröffnete; in den 1970er Jahren erweiterte der Chef das Geschäftsfeld dann auch über den skandinavischen Raum hinaus und machte ein Geschäft in England auf. Mittlerweile gibt es tausende H&M-Stores in 44 Ländern.

Am besten gehen die Geschäfte in Deutschland (rund ein Viertel des globalen Umsatzes von 14,6 Mrd. Euro jährlich), aber auch in Kairo, Tokio und Shanghai entdecken immer mehr – vor allem junge – Leute den Reiz trendiger und preiswerter Mode. Stefan Persson (der Mann von eingangs erwähnter Liste) übernahm die Firma 1982 von Erling, brachte sie an die Börse und leitete ihre Geschicke bis 1998. Auch er eröffnete kei­ne Fabriken, sondern ließ die Textilien für H&M weiterhin von Auftragsherstellern produzieren – hauptsächlich in asiatischen Billiglohnländern, wie das seit geraumer Zeit bei den meisten Groß- und Mittelbetrieben üblich ist. Stattdessen kümmerte er sich um die internationale Expansion seiner Modekette; bis zum Tod seines Vaters im Jahre 2002 gab es immerhin schon 800 Filialen. Auch für das Image von H&M tat Stefan Pers­son (der sich nach seinem offiziellen Ab­schied aus dem Geschäft ein ganzes englisches Dorf mit 21 Häusern gekauft hat) einiges. Die Marke H&M ist nicht zuletzt dank seiner Aktivitäten derzeit unübertroffen: Laut aktuellem Ranking der „Best Global Brands“, das von der Agentur Interbrand erstellt wird, ist der schwedische Textilkonzern die wertvollste Modemarke der Welt.

Antwort 3: Sei gut (zu dir selbst)

Heute ist bei H&M ganz offiziell die dritte Generation der Perssons am Ruder: 2009 trat Karl-Johan mit jugendlichen 33 Jahren die Nach­folge seines Großvaters an und löste den familienfremden Manager Rolf Eriksen ab, der elf Jahre lang den Konzern äußerst erfolgreich ge­leitet und von einem Umsatzrekord zum nächsten getrieben hatte. Hennes & Mauritz ist zwar längst ein börsennotiertes Unternehmen, doch der Persson-Clan hält nach wie vor mehr als 40 Prozent der Anteile und die Mehrheit der Stimmrechte. „Konsum ist etwas Gutes“, sagt Karl-Johan. Als ihn der Spiegel vor kurzem mit der Frage konfrontierte, ob das kapitalistische Geschäfts­prin­zip seines Unternehmens („immer schneller, immer mehr, immer günstiger“) der Welt nicht mehr schade als nütze, antwortete er selbst­sicher: „Kein Unternehmen der Welt wür­de sich mit weniger Absatz, weniger Kun­den, weniger Arbeitsplätzen zufriedengeben, nur weil das gut für die Umwelt ist. Wachstum ist ein Antreiber.“ Natürlich gerät auch H&M in den letzten paar Jahren nicht nur in deutschen Illustrierten ins Kreuzfeuer der Kritik. Doch das liegt nicht etwa daran, dass der Konzern extra böse wäre – das internationale Gutmenschentum sucht viel­mehr immer wieder Opfer für seine konzertierten Hetzkampagnen.

„Konsum ist etwas Gutes. Kein Unternehmen der Welt würde der Umwelt zuliebe auf mehr Umsatz und Kunden verzichten.“
Karl-Johan Persson

Ob nun eine Textil­fabrik in Bangladesch abbrennt, in der auch die Schweden produzieren ließen; ob die Werbedame für die neue Übergrößenkollektion zu dünn und verhungert aussieht; ob H&M-Mitarbeiter in Deutschland für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen oder das brasilianische Model Isabeli Fontana es wagt, eine allzu braune Haut zu haben („Um Gottes willen, weiß die denn nicht, wie schädlich die Sonne ist?!“) – immer wieder finden sich ein paar Journalisten und Wichtigtuer, die Alarm schreien und den Konzern zu öffentlichen Stellungnahmen oder gar Entschuldi­gun­­gen zwingen. Doch wie schon Karlsson vom Dach, ein anderer großer Schwede, so richtig sagte: „Das stört keinen großen Geist.“ H&M folgt einfach dem derzeit angesagten Trend zur „Cor­porate Responsibility“ und zieht das modehungrige Volk mit Charity-Kollektionen wie „Fashion Against AIDS“ oder der „WaterAid Collection“ (= mehr sauberes Trinkwasser für die Welt) auch ideologisch wieder auf seine Seite. Und weil die beliebte und fast schon totgeredete Nachhaltigkeit nicht zu kurz kommen darf, werden für die in rhythmischen Abstän­den wiederkehrende „Conscious Collection“ sogar recyclete Materialien verwendet und um teures Geld verkauft. Ein gutes Gewissen ist eben immer noch das beste Ruhekissen – vor allem, wenn man damit die Kassen füllt.
www.hm.com


… und andere Geschichten

H&M verkauft nicht nur Mode für Damen, Herren und Kinder, Um­stands- und Babykleidung, Wäsche, Düfte und Kosmetik, sondern drängt auch mit anderen Marken erfolgreich auf den Markt.

COS Unter dem Namen „Collection Of Style“ bietet H&M seit 2007 Mode im gehobenen Preis- und Qualitätssegment an. COS ist jedoch keine Tochterfirma, sondern ein „Fashion-Konzept“ des schwedischen Konzerns – mit eigenen Geschäften und Online-Shops für all die Kunden, die endlich ihr Studium abgeschlossen haben und über mehr Geld verfügen.
Monki Streetwear. Modeerlebnis. Verspieltheit. Die Werbeslogans sagen schon alles: Die Monki-Kollektionen sprechen Mädchen (und auch genderverwirrte Buben) an, die sich über das Monki-Lebensgefühl begeistert auf Facebook äußern und twitternd ihre FreundInnen in die Shops locken. In Berlin hat der erste Monki-Store im April 2013 eröffnet.
Weekday Ohne Jeanshosen geht man und geht es heute nicht mehr; deshalb bietet auch H&M unter diesem Namen Denim an – von Eigenmarken wie „Weekday Storemade“ und „Weekday Vintage“ über die Produkte anderer Hosenhersteller bis hin zu den Entwürfen begabter Nachwuchsdesigner.
Cheap Monday Da auch die Generation Mode-Blog einmal erwachsen wird oder zumindest mehr Taschengeld in die gierigen Hände kriegt, wird hier das Streetwear/Subkultur-Konzept mit High-Fashion und Laufsteg-Feeling verbunden (so ähnlich wie damals bei der „Punk-Mode“ mit goldenen Sicherheitsnadeln und kunstvoll zerrissenen Jeans). Cool, baby!
& Other Stories Seit März 2013 gibt es diese neue Modekette speziell für Frauen, um der übermächtigen Zara-Konkurrenz Herr zu werden. Angeboten wird alles, wie eine Unterneh­mens­spre­cherin sagt, „von Flip-Flops für 7 Euro bis zu Lederstiefeln für 225 Euro“. Mode, Acc­essoires, Schuhe und Kosmetik erweitern das H&M-Angebot für die weibliche Modewelt.