Der Gardasee ist das Vorzimmer zum Paradies: Hier beginnt das mediterrane Klima Italiens. Ein Lokalaugenschein von Renato Zappella.

Der größte See Italiens wurde in der Eiszeit durch den Rhätischen Gletscher geformt, dessen Spuren man bis heute sehen kann. Erste Besiedlungen des Seeufers datieren um das Jahr 2000 vor Christus. Das Klima ist aufgrund der Lage sub-mediterran, mit heißen Sommern und niederschlagsarmen, milden Wintern. Die Jahres­durch­sch­nitts­temperatur liegt zwischen 13 und 15 Grad. In Gardone Riviera, am Südwestufer des Garda­sees, herrscht das mildeste Klima nördlich des Apennins. Am nördlichen See ist es windig – hier blasen der Ora (ein Südwind, ab Mittag bis in die frühen Abendstunden) und der Peler (ein Nordwind, der nach Mitternacht beginnt und bis zum Vormittag anhält). Deshalb ist der nördliche Gardasee zwischen Tor­bo­le und Malcesine bei Seglern und Surfern sehr beliebt, was die Gegend für Hedonisten oft unerträglich macht. Wer statt lärmender, betrunkener Surfer (die meisten kommen aus Deutschland) eher die italienische Lebensart zwischen Genuss und Luxus liebt, hält sich im Westen und im Süden auf, wo sich auch die bekanntesten Luxushotels wie etwa die Villa Feltrinelli befinden. Auch in Riva, dem nördlichsten Ort am Gardasee, kann man sich’s gut gehen lassen; allerdings empfehlen wir die Vor- und Nachsaison. Zur Hauptreisezeit tummeln sich auch hier viel zu viele Touristen (hauptsächlich Deutsche) auf den Straßen und am See. Wer keine Ahnung von Kaffee hat, wird sich hier sehr wohl fühlen – zu meinem Entsetzen klebt an vielen Kaffehäusern ein Zettel mit dem Hinweis „Deut­scher Kaffee“, womit bestimmt ein dünner Filterkaffee mit viel Koffein, Gerbsäure und Bitterstoffen anstelle eines ordentlichen milden Espresso mit Crema gemeint ist. Überhaupt ist der Gardasee fest in deutscher Hand; nach München ist es ja auch viel näher als nach Wien. Aber das soll uns nicht davon ab­halten, nach Riva, Gargano oder Gardone zu fahren und dem Hedonismus zu frönen. Schließ­lich gehörte der nördliche Teil des Gar­dasees bis 1918 zu Österreich-Ungarn. Gelegenheiten zum Genießen gibt es hier genug, nicht nur kulinarische – obwohl dies der Hauptgrund sein dürfte, warum der See und seine Ortschaften so beliebt sind.

Besonders malerisch (wenn auch etwas an­stren­gend für Autolenker, die keine Freude am Kartfahren haben) ist die Gardesana Occiden­ta­le, die SS45, die am Westufer entlang von Riva bis ins südliche Salo führt. Entlang dieser Straße befinden sich auch die schönsten Orte mit den luxuriösesten Hotels. Gleich nach Rive, Richtung Süden, empfehlen wir einen Abstecher in die Berge, und zwar nach Pieve, dem hübschen Bergdörfchen, von dem aus sich ein atemberaubender (wirklich!) Blick auf den See bietet. Wer Höhenangst hat, muss ja nicht unbedingt in der Trattoria am Steilhang einen Imbiss zu sich nehmen. Aber auch die Gegend nördlich des Sees lädt zu Ausflügen ein. So gibt es zum Beispiel den wirklich schönen und gut erhaltenen Ort Rovereto, wo Shoppen mehr Spaß macht als zwischen schlapfentragenden Surfern am See. In Rovereto gibt es nicht nur das skurrilste Haushalts- und Küchenutensiliengeschäft der Welt, sondern auch ein Museum für moderne Kunst, das MART. Das vom Stararchitekten Mario Botta entworfene, 6.000 Qua­drat­meter große Museum zeigt moderne und zeitgenössische Kunst der Extraklasse; vorwiegend italienische Kunst seit dem 20. Jahr­hundert, aber auch einen ansehnlichen Blick auf die internationale Moderne. In einschlägigen Reiseführern finden Sie alle möglichen Tipps über diverse Attraktionen rund um den See. Eine der skurrilsten befindet sich in Gardone Riviera im Umfeld der ehemaligen Villa von D’Annunzio, Il Vittoriale degli Italiani: ein – nun ja, im weitesten Sinne – Kriegsmuseum. Dort befindet sich unter an­derm die Puglia, ein Kreuzer, den D’Annunzio 1923 von der italienischen Marine als Ge­schenk erhielt. Er wurde auf 20 Eisenbahn­wag­gons verteilt angeliefert und nahe der Villa mitten im Wald auf einem Hang zusammengebaut und aufgestellt – echt schräg! Wer statt Krieg lieber etwas Friedvolleres zu sehen wünscht, kann sich ebenfalls in Gardone Riviera den Zaubergarten von André Heller ansehen, der vom Vittorale in weniger als zehn Minuten zu Fuß ereichbar ist. Und wenn Sie schon in Gardone sind, reservieren Sie fürs Dinner in der Villa Fior­da­liso, einem Relais & Chateaux wie im Märchen; das sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

Die wichtigsten Adressen:
www.visitgarda.com
www.viamichelin.at

1Grand Hotel A Villa Feltrinelli

Bei aller Objektivität, die ein Journalist bewahren muss, darf mit ruhigem Gewissen gesagt werden: Das mit Abstand schönste und eleganteste Hotel am Gardasee ist diese Villa – und ein genialer Koch setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

Ein so viel gelobtes und hochgepriesenes Ho­tel wie die Villa Feltrinelli fordert den Verfasser dieser Zeilen geradezu heraus, eine Schwach­­stelle zu finden – schließlich will man sich als Reise­journalist keine Blöße geben. Irgendwo haben die sicher was falsch gemacht, Klopapier vergessen oder schlecht Staub gewischt oder so. Niemand ist perfekt. Allerdings habe ich die Rechnung nicht mit Peter Eisendle gemacht: Der Schweizer Assistent Manager hat es sich zur Aufgabe gemacht, tatsächlich alles perfekt zu gestalten; taucht an allen möglichen Stellen auf und fummelt am Inventar he­rum, richtet Lam­pen gerade, entfernt mikroskopisch kleine Staub­­fusseln und be­schämt das gut geschulte Per­sonal, indem er Zehntelsekunden vor dem Kellner die durchlauchten Gäste von leeren Tellern befreit. Das neogotische Grandhotel Villa Feltrinelli liegt im alten Fischerdorf Gargnano am West­ufer des Gardasees, umgeben von einem 3,2 Hektar großen Park mit altem Baumbestand. 1892 als Sommerresidenz der italienischen Ver­le­gerfamilie Feltrinelli errichtet, diente das heu­te denkmalgeschützte Gebäude während des 2. Weltkriegs Mussolini als Wohnsitz. 1997 wurden 30 Millionen Euro in die Renovierung des Hauses investiert. Jede Unterkunft ist mit Anti­quitäten eingerichtet, teilweise Original­stücken der Feltrinelli-Familie: ein Höchstmaß an Ru­he und Privatsphäre, gepaart mit einem Service­konzept für Gäste, die einen Zufluchtsort in abgeschiedener Umgebung suchen. Hier kommt selten das Gefühl auf, dass man sich in einem Hotel befindet. Der herrliche, beheizte Pool wird zur privaten Wellness-Oase, betreut von einem Butler, der sich natürlich vom Hotelmanager beobachtet fühlt. Küchenchef Stefano Baiocco hat sich und die Villa Feltrinelli unermüdlich an die Spitze der italienischen Gastrono­mie gekocht. Es ist schon ein Erlebnis, wenn der Koch durch den Garten führt, um stolz seine Kräutersammlung zu zeigen…
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www.villafeltrinelli.com

2Du Lac et Du Parc Grand Resort

Ein Familienhotel mit allem, was frau sich im Urlaub wünscht: gute, unkomplizierte Küche, ein großzügiges Spa und einen wunderschönen Park direkt am See.

Eine sehr seltene Mischung aus familien­freund­lich und Top-Qualität – das ist das Du Lac et du Parc-Resort in Riva del Garda. Auch wenn das alte, straßenseitige Haupt­ge­­bäu­de wenig einladend aussieht, offenbart sich auf der Seeseite des Anwesens ein riesengroßer pracht­voller Park mit mehreren Zubauten. Zum einen sind da die modernen Murilado Suites mit viel Platz für die ganze Familie sowie einer eigenen Küche – und somit auch für längere Aufenthalte geeignet. Dann gibt es die eleganten Suiten in La Villa für Gäste mit luxuriöseren Ansprüchen, und nicht zuletzt die als Ferienwohnung konziperten Bungalows, die zwar schon einige Jahre auf dem Buckel haben, aber nach und nach renoviert werden. Im alten Haupthaus kann man natürlich auch wohnen; es scheint allerdings so, als sei dies den klassischen Bustou­ris­ten vorbehalten. Jetzt lassen Sie sich aber bloß nicht von den Busreisenden abschrecken, die fallen dank der Größe des Resorts kaum auf und gehen brav um 19 Uhr zu Tisch. Die Anwesenheit so vieler Menschen in dem riesigen Speisesaal aus den 50er-Jahren belebt das Dinner ungemein und sorgt für Gesprächsstoff. Darüber hinaus macht die Küche angesichts der vielen Gäste ei­nen großartigen Job. Alle Gerichte waren bei unserem Besuch von ausgezeichneter Qualität – eine erfrischend geradlinige italienische Küche. Neben dem Hauptrestaurant gibt es noch das La Capannina am Pool und eine Snack Bar. Dank zwei großer Pools und des Sees mit all seinen Wassersportangeboten verteilen sich die Gäste auch in der Hauptsaison – hier rückt einem niemand so nahe wie am Strand in Jesolo. Auch das neue, große Spa mit diversen Packages und allen erdenklichen Kosmetik­behandlungen rundet den Aufenthalt im Du Parc et du Lac angenehm ab.
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www.dulacetduparc.com

3Lido Palace

Der Name des Hotels klingt nach großzügigen, geräumigen Zimmern mit gediegener Ausstattung und viel Luxus. Doch es ist alles ein bisschen anders…

Die ursprüngliche alte Villa aus der Jahr­hundertwende wurde unlängst auf­wen­­dig renoviert und um einen imposanten, mit rostigem Eisen verkleideten Flügel er­wei­tert, in dem Restaurant und Spa untergebracht sind. Dieses architektonische Konstrukt sieht von außen cool aus, doch trübt der Blick aus dem Fenster auf das riesige rostige Dach die Stimmung. Hier hat sich mal wieder ein Archi­tekt für seine Präsentationsmappe verwirklicht. Apropos Architekten: Die kleinen Zimmer (wohin mit dem zweiten Koffer?) verfügen über ein schmales Bad mit einem riesigen Wasch­becken, bei dem das Wasser kaum abfließt – außerdem reicht der Waschtisch nicht bis zur Wand, und es fallen ständig Kosmetikutensilien auf den Boden. Das Meisterstück moderner Architektur ist jedoch die Toilette ohne Tür oder Fenster. Gerüche und Geräusche gelangen ungefiltert bis ins Schlafzimmer. Es war dies das einzige Hotel dieser Art in meiner langjährigen Karriere als Tester, wo ich ins Erd­geschoß zur Restaurant­toilette gehen musste. Der Außenpool hat unzeitgemäße Ecken und Kanten und eignet sich nicht wirklich zum Schwimmen; noch dazu schauen einem die Gäs­te der Restaurants zu – und umgekehrt. Abgesehen davon ist das Hotel jedoch sehr schön geworden, die Lage ist zentral und eignet sich perfekt zum Shoppen in der Altstadt von Riva. Das Positivste ist jedoch das tolle Restau­rant mit dem kompetenten Som­melier Giulio Mitan und dem ausgezeichneten Koch Giu­seppe Sestito. Die zwei trösten mit Leichtigkeit über die seltsame Architektur hinweg. Natürlich hat ein Hotel dieser Klasse auch ein modernes Spa und bietet neben Massagen alle denkbaren Kosmetikbehandlungen. Besonders angenehm ist auch der Umstand, dass man von hier aus ohne Umwege Ausflüge ins Trentiner Hinterland machen kann.
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www.lido-palace.it/de

überRenato Zappella