Stimmt schon, der Titel klingt wie ein Widerspruch in sich. Doch die sportlichen Klassiker des Designers Ralph Lauren haben es tatsächlich geschafft, der „Neuen Welt“ so etwas wie einen traditionellen Modestil zu schenken. Die Style-bewusste Mittelklasse machte ihn dafür zum Milliardär – und seine Firma zum Global Player.

Kennen Sie eigentlich jemanden, der Polo spielt? Diese seltsame Sportart, bei der Reitermannschaften vom Rücken ihrer Pferde mit langen Schlägern einen Ball ins gegnerische Tor befördern müssen? Und die früher irgendwo in Pakistan angeblich mit den Köpfen der Feinde gespielt wurde? Nein? Macht nichts. Ein Polohemd (das übrigens gar nicht für obige Vierbeinerquälerei, sondern von René Lacoste 1933 für Tennisspieler entworfen wurde), kann auch der Unsportlichste tragen – wenn es weit genug geschnitten ist. Es ist zwar weniger elegant als ein Hemd, aber um einiges seriöser als das gemeine T-Shirt; deshalb wird es auch seit geraumer Zeit als Arbeits- und Freizeitkleidung eingesetzt. Und das längst nicht nur mehr von Männern. Mit Polohemden startete auch der 1939 in der New Yorker Bronx geborene Designer Ralph Lauren vor nunmehr 50 Jahren seinen steilen Aufstieg in der Modebranche. Schon in jungen Jahren soll er äußerst stil- und karrierebewusst gewesen sein: Ralphs Schulkollegen erinnern sich heute noch daran, dass er ihnen in den Pausen Krawatten verkauft hat; seiner Mutter wiederum machte er bittere Vorwürfe, wenn sie wieder einmal eines seiner Lieblings-Kleidungsstücke (wie zum Beispiel zerrissene Jeans) entsorgt hatte. Wahrscheinlich ist er genau deshalb bis heute auf der Suche nach „der perfekten Jeans“.

Neue Namen & breite Krawatten

Ralphs Eltern waren Aschkenasim-Juden, die aus Pinsk im heutigen Weißrussland nach New York emigriert waren. Sie trugen den unglücklichen Namen Lifshitz – unglücklich deshalb, weil er im Englischen das Wörtchen „shit“ enthält und den Söhnen der Familie das Leben nicht gerade leicht machte. In einem Interview mit Amerikas Herz-Schmerz-Talkshowmasterin Oprah Winfrey erzählte Ralph Lauren: „In meinem richtigen Namen kam ,Scheiße‘ vor. Die anderen Kinder machten sich permanent darüber lustig. Das war ziemlich hart für mich, und deswegen beschloss ich, meinen Namen ändern zu lassen. Danach haben mich die Leute gefragt, ob ich jetzt anders heiße, weil ich kein Jude mehr sein wollte. Aber das ist Unsinn. Meine Cousins in Kalifornien nannten sich offiziell Lawrence, weil sie ebenfalls anders heißen wollten. Und ich eben Lauren, weil ich den Namen nett fand – ohne bestimmtes Vorbild.“ Seine Idole fand er ohnehin anderswo. Auf der DeWitt Clinton High School in der Bronx studierte Ralph kaufmännische Fächer, interessierte sich aber nicht besonders für den Wirtschaftsunterricht, sondern viel mehr für britische und amerikanische Mode-Trendsetter wie den Duke of Windsor oder Katherine Hepburn, den Inbegriff weiblicher Hollywood-Eleganz. „In dieser Zeit habe ich aus Filmen und der Zeitschrift Esquire alles über Mode gelernt“, erzählte er später. „Ich wusste gar nicht, ob diese Welt wirklich existierte. Ich sah die Dinge, wie sie idealerweise sein sollten – und nicht, wie sie wirklich waren.“ Als Berufswunsch im High-School-Jahrbuch trug der junge Lauren selbstbewusst „Millionär“ ein.

Nach dem Militärdienst bei der US Army ging er nicht etwa auf eine Modeschule, sondern begann als Verkäufer für den traditionsreichen amerikanischen Herrenausstatter Brooks Brothers zu arbeiten, der seit 1818 eher konservative Kleidung an den Mann bringt. 1967 beschloss man in dem altehrwürdigen Unternehmen, dass Polospieler doch nicht unbedingt das erwünschte Zielpublikum waren – und verkaufte dem jungen Herrn Lauren die Rechte an der hauseigenen Marke „Polo“. Ralph bedankte sich, verließ seinen Arbeitgeber und schaute nie wieder zurück. Er schaffte es, einen Kredit über 50.000 Dollar zu bekommen und eröffnete im revolutionären Jahr 1968 das Krawattengeschäft Polo Fashions, in dem er auch selbst entworfene Schlipse mit seinem Labelnamen verkaufte. Sein Durchbruch in diesem Bereich gelang ihm mit der Idee, die einfarbigen schmalen Krawatten, die Anfang der Sechziger ein modisches Muss waren, durch breite, buntere Modelle zu ersetzen. Allein im ersten Jahr machte er damit einen Umsatz von einer halben Million Dollar.

I wanna be rich and famous…

Mit der Männerkollektion Polo Menswear Co. begann Ralph Laurens einzigartige Karriere im Luxussegment. Einzigartig deshalb, weil in seinen Entwürfen die strenge, traditionelle Business-der Ivy-League-Geschäftsmänner (= Absolventen der acht Elite-Unis der USA, wie Harvard, Yale und Princeton) durch „angesagtere“ Designs abgelöst wurde: Hemden mit breitem Kragen, Sakkos mit auffälligem Revers, knalligere Farben: schicke Mode, die im zeitgeistigen Psychedelik-Trend lag – „aber nicht zu ,in‘, sondern gerade so sehr, dass die Kollegen in der Bank sich dadurch nicht schockiert fühlten“, wie die US-Modekritikerin Bernadine Morris treffsicher anmerkte. In den folgenden Jahrzehnten brachte Lauren Western-Outfits, Mode im Landhausstil und andere Linien auf den Markt, die alles abdecken, was gut und teuer aussieht. Er entwirft für Leute, denen es weniger um Mode denn um Lifestyle geht – und genauso sehen auch seine mehrseitigen Anzeigen aus, die seit Jahrzehnten Geschichten vom besseren Leben erzählen. Daher lässt sich der von ihm bestens eingekleidete Mittelstand auch von den gelegentlichen Vorwürfen, Laurens „guter Geschmack“ bringe eigentlich nur Uniformen für Yuppies und Preppies (die sind sowas wie die amerikanischen Popper) hervor, nicht davon abhalten, stolz das gestickte Polospieler-Logo zu tragen. So kann man sich schließlich zu relativ günstigen Preisen reich und berühmt fühlen. Mit seinem Neuentwurf einer amerikanischen Eleganz, die nicht mehr alles von den britischen Edelschneidern abkupferte, wurde Ralph Lauren bald von der einschlägigen Presse gefeiert. Auch die Damenmode-Entwürfe, die er später auf den Markt brachte, schlugen ein. „Heute braucht keine Frau mehr komplizierte Kleider, die ihr irgendein europäischer Couturier einreden will“, verkündete er 1974, als er – braungebrannt und bestens gekleidet – schon so etwas wie ein Popstar war, der bei seinen Modeschauen selbst über den Laufsteg marschierte. „Frauen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, wollen nicht als Modepüppchen gesehen werden.“

„Ich wollte nie in Mode sein. Denn wenn man in Mode ist,
ist man irgendwann auch wieder aus der Mode.“
Ralph Lauren

Da Lauren auch selbst kein dekadenter Fashion-Europäer, sondern ein gestandener heterosexueller Ami ist, erfreut er sich seit 1964 einer glücklichen Ehe. Als er seine zukünftige Frau Ricky Low-Beer kennenlernte, arbeitete sie noch als Sprechstundenhilfe bei einem Augenarzt und war garantiert der erfreulichste Anblick in der ganzen Ordination. Ricky arbeitete später als Lehrerin bzw. Therapeutin und schenkte Ralph drei Kinder: die Söhne Andrew und David sowie eine attraktive Tochter namens Dylan. Heute jettet das Paar zwischen Laurens nobler Adresse an der Fifth Avenue in Manhattan, seinem Haus auf Jamaika, seiner Ranch in Colorado (wo er Rinder züchtet, die in seinem Pariser Store als Hamburger verkauft werden) und einem Herrenhaus im Superreichen-Städtchen Bedford im Bundesstaat New York hin und her. Und der schicke Patriarch kann sich mit seinen nunmehr 72 Jahren bequem zurücklehnen und mit Fug und Recht behaupten: „Ich habe das amerikanische Geschmacksniveau angehoben.“ Das sieht man auch in Europa so – sogar im modebewussten Frankreich. Nicht umsonst ernannte Präsident Sarkozy den amerikanischen Designer 2010 zum Chevalier der Ehrenlegion. „Sie repräsentieren ein Amerika, das wir sehr mögen“, lobte er Ralph Lauren zu diesem Anlass. „Sie und Barack Obama sind der Amerikanische Traum.“ Der eingefleischte Patriot Lauren selbst sieht das nach dem Ende der Bush-Ära ganz ähnlich: „Wir Amerikaner hatten ein paar schreckliche Jahre, von denen wir uns jetzt erst erholen. Die Zeiten sind immer noch unsicher, und die Menschen überlegen sich sehr genau, wofür sie ihr Geld ausgeben. Aber ich finde, es war sehr gut für unser Land, dass wir diese Phase durchleben mussten.“

The Lauren Lifestyle

So zeitgeistorientiert Ralph Laurens erste Entwürfe in den 60er Jahren waren, so zeitlos sind der Mann und seine Mode heute. „Ich habe den Hype und die Medienspektakel um mehr als hundert andere Designer überlebt“, sagt der Maestro selbstbewusst. „Einige schaffen es – und andere eben nicht. Ich bewundere Beständigkeit und einen konsequenten Markenaufbau. Bestimmte Namen verschwinden einfach nicht.“ Sein Name ist geblieben und hat sein Unternehmen zu einem der wichtigsten im Luxussegment gemacht. Das Reich des Ralph Lauren besteht derzeit aus rund 280 Flagship-Stores und Geschäften in aller Welt, die sich mit viel Eleganz, Diskretion und ausgesuchten Antiquitäten durch ihren „Old World“-Stil auszeichnen. Ralph Lauren kleidet Sportler ein – die Ballbuben und -mädchen in Wimbledon ebenso wie seit 2008 die US-Olympioniken – und stattet Stars wie Gwynth Paltrow aus. Auch in Filmen wie Der große Gatsby oder drei Produktionen des Stadtneurotikers Woody Allen sind seine Designs zu sehen. Kein Wunder, dass der Mann zur Nr. 173 auf der weltweiten Milliardärs-Weltrangliste geworden ist.

Im Oktober 2010 belief sich sein geschätztes Vermögen auf 4,6 Milliarden Dollar, Tendenz steigend. Und seine Firma machte im vergangenen Jahr einen stolzen Umsatz von fast 5 Milliarden Dollar. 1994 hat er übrigens 28 Prozent des Unternehmens an die Investmentbank Goldman Sachs verkauft und dafür 138 Millionen Dollar kassiert, die es ihm ermöglichten, mit Polo Ralph Lauren an die Börse zu gehen. Die aktuelle Weltwirtschaftskrise – mit hervorgerufen durch genau dieselbe Investmentbank und ihre verbrecherischen Subprime-Immobiliengeschäfte – meisterte Lauren trotz der sinkenden Verkaufszahlen in Europa und den USA, die alle Unternehmen der Luxusbranche trafen, wie ein echter Entrepreneur: Er eröffnete neue Geschäfte im Wachstumsmarkt China. Weltbekannt sind allerdings nicht nur Ralph Laurens Mode und seine Erfolg im Business, sondern auch seine Autosammlung, um die ihn jeder Motorenfan beneidet. „Ich wollte nie ein Sammler sein, das war nicht mein Ziel“, stellt der Designer dazu fest. „Ich habe einfach nur immer schon Autos geliebt. Und dabei ging es mir auch um ihre berühmten Besitzer und die Männer, die diese Autos gebaut haben. Es faszinierte mich, über Enzo Ferrari und Ettore Bugatti zu lesen – und zu erfahren, wie sie gelebt und warum sie diese Autos gebaut haben. Das hat etwas zutiefst Romantisches. Und die Fahrzeuge haben eine zeitlose Schönheit, die mich oft zu meinen Entwürfen inspirierte.“ Was wir daraus lernen? Amerikanische – und schließlich weltweite – Eleganz wird von schnittigen europäischen Oldtimern beeinflusst. Das lässt uns SUV-, Smart- und Hybridfahrer in Sachen zukünftiger Mode nichts Gutes hoffen…