Bernard Arnault übernahm vor 22 Jahren einen Pleitebetrieb um einen Euro und macht heute mit Louis Vuitton, Dior, Guerlain & Co. Milliarden.

Am liebsten managt Ber­nard Arnault seinen Kon­zern beim Essen. Schon zum Frühstück bestellt er immer einen seiner zahlreichen Manager zu sich in ein Pariser Bistro und lässt sich bei Kaffee und Croissants über die aktuelle Lage in seinem Firmenimperium berichten. Mittags lädt er Geschäftspartner in sein Privatrestaurant in der Avenue Montaigne ein. Abends sieht man ihn nicht selten bei Pierre Gagnaire in der Rue Balzac oder in der schmucken Brasserie von Alain Sende­rens neben der Madeleine-Kirche, wo er bei getrüffelter Fasanenbrust seine Kontakte pflegt. Erst kürzlich gab es für den Konzernchef Grund zum Feiern. Einer seiner engsten Freunde, dem er vor Jahren auch als Trauzeuge beigestanden war, wur­de Präsident der Republik: Nicolas Sarkozy. Dieser Anlass war es schon wert, dass Bernard Arnault ein paar Flaschen vom Wein seines eigenen Weinguts auffahren ließ – Chateau Cheval Blanc, einen der edelsten und teuersten Tropfen Frankreichs und Lieblingswein des bekanntesten Gourmetkritikers in Österreich. Er hätte auch andere feine Getränke aus der firmeneigenen Produktion nehmen können, zum Beispiel Champagner von Dom Pérignon oder einen Malt Whisky von Glen­morangie. Der Konzern, dem der sportliche Endfünfziger vorsteht, heißt Louis Vuit­­ton Moët Hennessy S. A., besser bekannt unter dem Kürzel LVMH, und ist der weltweit größte Hersteller und Händler von Luxus­gütern. Nicht we­niger als 50 Mar­ken sind unter einem Dach vereint – Cham­pagner und Weine ebenso wie Mode, Par­fums, Uh­ren und ganze Handelsketten.

„Wer essen will, ohne sich auf die Kochkunst zu verstehen,
wird über die dargereichten Speisen kein sicheres Urteil fällen können.“
Plato

Nach der peniblen Buchführung des US-Maga­zins „Forbes“ verfügt Arnault über ein Privatver­mö­gen von rund 20 Milliarden Euro, was ihn zum reichs­­ten Franzosen macht und ihm für das Jahr 2008 Rang fünfzehn unter den reichsten Menschen der Welt sicherte. Den Weltkonzern LVMH, der heute 15 Milliar­den Euro im Jahr umsetzt und 60.000 Mit­arbeiter beschäftigt, hat Bernard Étienne Arnault im Laufe von 25 Jahren mehr oder weniger im Allein­gang aufgebaut. Immerhin: Wirklich klein anfangen musste er nicht. Bernards Vater Jean Arnault war Bau- und Immobilienunternehmer im nordfranzösischen Städt­chen Roubaix und machte in den Sech­zigerjah­ren ein durchaus respektables Vermögen mit billigen Feri­en­häusern an der Côte d’Azur. Der junge Ber­nard fügte sich zunächst auch artig in die Rolle des künftigen Juniorchefs: Er studierte Inge­nieur­­­wissenschaften an der École Poly­technique in Paris, trat 1971 in die väterliche Firma ein, heiratete, setzte zwei Kinder in die Welt und übernahm 1978, kurz vor sei­nem 30. Geburtstag, die Leitung des Fa­mi­li­en­unternehmens. Das Leben als mittelständischer Unter­neh­mer in der Provinz änderte sich schlagartig, als Anfang der Achtzigerjahre der Textil­konzern Boussac Saint-Fréres vor der Pleite stand. Die so­zia­listische Regierung wollte kurz vor den Wahlen einen Betrieb mit derart vielen Ar­beits­­plätzen nicht untergehen lassen und suchte dringend einen Käufer, der sich zum Weiterbetrieb verpflichten ließ. Arnault sprang ein und übernahm das Unternehmen für einen Franc. Damit hatte er zwar zu­nächst einen Sanierungsfall am Hals, allerdings auch den Zugriff auf zwei exquisite Filetstücke: das Modelabel Christian Dior und das berühmte Pariser Traditionskaufhaus Le Bon Marché. In den folgenden Jahren musste der gelernte Bauingenieur zweierlei beweisen: dass er als beinharter Sanierer angeschlagene Unternehmen wieder auf die Beine bringen kann – und dass er auch im Modegeschäft den richtigen Riecher besitzt. Letzteres zeigte sich bereits 1987, als Arnault einen talentierten jungen Designer namens Christian Lacroix an Bord holte und mit ihm ein neues Modelabel gründete, das in den Neunzigerjahren stilbildend wurde und wesentlich zum Wiedererwachen der verschlafenen Pariser Haute-Couture-Szene beitrug. Als es 2005 zu Streitereien zwischen dem Designer und seinem Geldgeber kam, verkaufte Arnault Lacroix einfach mit allem Drum und Dran über Nacht. Der Meistercoup allerdings gelang 1989: Zwischen den Chefs des Nobelledermachers Louis Vuitton und des Luxusgetränkehändlers Moet-Hennessy war ein Streit ausgebrochen. Erst kurz davor hatten sich die beiden Firmen zu einer großen Gruppe fusioniert, jetzt krachte es hörbar im Gebälk. Was die Manager nicht wussten: Bernard Arnault hatte bereits in aller Heimlichkeit 24 Prozent der Anteile erworben und sich dazu mit dem britischen Brauriesen Guinness verbündet. Jetzt nutzten die Partner den Zank, um in einer feindlichen Übernahme die Mehrheit zu erringen. Auch die Vernunftehe mit Guinness hielt nicht ewig: 1994 trennten sich die beiden Partner, Bernard Arnault allerdings behielt die Kontrolle über LVMH. Er schritt sofort wieder ans Expandieren und kaufte Marken wie Kenzo, Guerlain, Donna Karan oder die Duty-Free-Kette DFS, die er der LVMH-Holding eingliederte.

Andere Beteiligungen hält er außerhalb des Konzerns, wie Christian Dior, mit dem 1985 alles begonnen hatte, oder sein jüngstes Kind, einen 9-Prozent-Anteil an Carrefour, einem der größten Einzelhandelsunternehmen der Welt. Die Strategie geht auf, weil Arnault nicht nur die Größe im Auge hat, sondern beinhart auf Erträge pocht. Konkurrenten nennen ihn „Terminator“, da bei LVMH jede Marke 20 Prozent Rendite abwerfen muss, sonst wird sie verkauft. Im Jahr 2007 erzielte LVMH durch diese Vorgabe 1,9 Mrd. Euro Reingewinn – Geld, das die Familie als Mehrheitseigner des Unternehmens anlegt. Ein bisschen davon geht für die Kunst auf. Die Sammlung zeitgenössischer Bilder und Skulpturen enthält Werke von Künstlern wie Pablo Picasso, Mark Rothko, Damien Hirst und Jean Dubuffet. Demnächst lässt Arnault für diesen Zweck ein eigenes Museum erbauen: Kein Geringerer als Star-Architekt Frank Gehry wird dafür ein Gebäude im Bois de Boulogne in Paris errichten; die geschätzten Kosten liegen bei 100 Millionen Euro. Ab und zu aber kauft Arnault auch privat eine Firma. Für solche Zwecke holt er sich gern einen engen Freund aus früheren Tagen als Partner an Bord, den belgischen Geschäftsmann Albert Frére. Die beiden haben einander vor 25 Jahren beim Urlaub in Saint-Tropez kennengelernt, einfach weil sie beide Tennis spielten. Heute besitzen sie gemeinsam das Chateau Cheval Blanc in Bordeaux. Oder sie kauften dem Hotelkonzern Accor einen etwas vernachlässigten Anbieter von Internetflugtickets namens Go Voyages ab – für läppische 281 Millionen Euro. „Wenn er sich ein Ziel in den Kopf setzt, dann erreicht er es auch“, sagt Tennis- und Businesspartner Albert Frére. „Er schaut nie dem Ball hinterher, den er verfehlt hat, sondern konzentriert sich auf den nächsten Aufschlag.“ Nicht immer geht er als Sieger vom Platz. Eine Schlappe, die den erfolgsverwöhnten Milliardär besonders wurmte, war der Verlust der Übernahmeschlacht um den italienischen Luxusartikler Gucci in den Neunzigerjahren. Arnault hatte bereits 34 Prozent von Gucci unter seine Kontrolle gebracht, jetzt aber musste er sich dem Druck der anderen Eigentümer beugen. Ausgerechnet sein französischer Rivale Franćois Pinault und dessen Holding Pinault-Printemps-Redoute schnappten ihm die Anteile weg. Arnault klagte daraufhin die Bank Morgan Stanley, die den Deal eingefädelt hatte, und warf den Analysten vor, sie hätten LVMH zu niedrig und seine Absichten mit Gucci zu negativ bewertet. Arnault bekam recht, mit Morgan Stanley einigte man sich auf einen Vergleich – wie viel sie dafür an Schadenersatz leisten mussten, blieb geheim. Weniger spektakulär floppte der Versuch, das britische Autohaus Aston Martin zu kaufen. Als Liebhaber aus Kuwait auftauchten und für die PS-Schmiede mit der großen Vergangenheit einen weit überhöhten Preis auf den Tisch legten, zog sich der Franzose schmollend, aber rasch zurück.

Mittlerweile hatte der Vater von fünf Kindern sich ohnehin um Wichtigeres zu kümmern, nämlich die Hochzeit seiner einzigen Tochter Delphine. Das Fest war dem Society-Blatt „Paris Match“ 23 Seiten Bildbericht wert: die Braut in rosenverzierter Prachtrobe von Dior Haute Couture, der Bräutigam in einem Rolls-Royce Phantom III 1937, Blumenschmuck, Festmusik, Feuerwerk. Ort des Geschehens: das Weingut Chateau d’Yquem. Freund Nicolas Sarkozy, damals noch Innenminister, war natürlich unter den Gästen, daneben aber umfasste die Hochzeitsgesellschaft schlicht jene Leute, mit denen Arnault im Laufe seines Lebens gute Geschäfte gemacht hatte: die Bankiersfamilie Rothschild, einige Mitglieder der Rüstungsdynastie Dassault sowie die Modeschöpfer Karl Lagerfeld und John Galliano, die beide für Konzernunternehmen von LVMH tätig gewesen waren. Am Rande des Treibens stand mit verschränkten Armen der Brautvater, zufrieden lächelnd, jedoch mit hartem, stechendem Blick. So kennen ihn auch seine Mitarbeiter. Der Chef, der nach eigenen Angaben etwa ein Drittel des Jahres auf Reisen verbringt, taucht immer dann im Pariser Büro auf, wenn größere Coups bevorstehen. Wenn ihm sein Team dann die Nachricht überbringen kann, dass die Aktion wie geplant geglückt ist, leuchtet sein Gesicht auf, der Griff in seinen verschränkten Armen lockert sich, und das Lob, das er spendet, besteht in einem Ritual von geradezu indianischer Kargkeit. Arnault nickt und murmelt: „Gut gemacht.“


Die LVMH-Grup­pe bringt hochwertige Pro­dukte in großen Stück­zahlen un­ters Volk und behält trotzdem ein exklusives Image. Zum Impe­rium gehören:
Champagner Moët & Chandon, Dom Pérignon, Krug, Veuve Clicquot, Canard-Duchêne, Mercier
Spirituosen und Wein Hennessy, Glen­mo­ran­gie, Belve­dere (Wodka), Château d’Yqu­em, Domaine Chandon, Cloudy Bay
Mode Louis Vuitton, Givenchy, Marc Jacobs, Emilio Pucci, Kenzo, Céline, Fendi, Donna Karan
Uhren, Schmuck, Parfum und Kosmetik TAG Heuer, Chaumet, Zenith, De Beers, Christian Dior, Guerlain, Givenchy, Kenzo, Acqua di Parma
Einzelhandel La Samaritaine, Le Bon Marché, Marie-Jeanne Go­dard, Miami Cruiseline
Medien Connaissance des arts, La Tribune, Inves­tir, Le Monde de la Musique, Radio Classique