Er managt Luxusmarken wie Gucci, Yves Saint Laurent und Stella McCartney, bringt Jogger mit Puma zum Laufen und leitet einen der größten Konzerne Frankreichs. Doch erst Hollywood-Prinzessin Salma Hayek machte aus François-Henri Pinault einen Milliardär mit Charakter.

Das Hin und Her kennt man von privaten Beziehungsgeschichten und Ehe­dramen: Man ist eine Zeitlang zusammen, setzt gemeinsam ein Kind in die Welt, dann wird die Verlobung überraschend gelöst, aber man findet sich irgendwie doch wieder – und schließlich heiratet man, und alles wird gut, wenigstens bis auf weiteres. Normalerweise werden solche alltäglichen Liebes- und Heiratssachen nicht in der Klatschpresse der ganzen zivilisierten Welt breitgetreten. Bei François-Henri Pinault ist das anders: Der ist zwar „nur“ Manager, gehört aber einer der reichsten Familien des Planeten an. Und im Ge­gen­satz zu Rockstars, die sich gern mit Mo­dels und Jungschauspielerinnen schmücken, hat er gleich einen der größten weiblichen Stars Hollywoods an Land gezogen: Salma Hayek, die mexikanische Schau­spie­le­rin und Produzentin, die gleich eine Mitgift von etwa 70 Millionen Euro in die Ehe mitbringt.

„Ein Traumpaar wie einst Fürst Rainier und Grace Kelly“, schwärmte die französische Presse. Die Tochter der beiden, Valentina Palo­ma Pinault, kommt im September 2007 zur Welt, aber da kriselt es anscheinend schon in der Beziehung. Wenige Monate später lösen Salma und Franćois-Henri ihre Verlobung – nur um dann am 14. Februar 2009 doch noch zu heiraten, überraschend und im ganz kleinen Kreis in Paris. Der Rest ist „Seiten­blicke“-Geschichte: Das glamouröse Paar erwirbt um bescheidene 13,5 Millionen Eu­ro ein 6800 Quadratmeter großes Anwe­sen in Bel-Air, dem Supernobelviertel von Los Angeles, wo Mutter und Tochter standesgemäß residieren können: in einem weißen Palast mit sieben Schlafzimmern, diversen Swimming­pools, einem Kinosaal und natürlich einer Landepiste für die Privatmaschine des Kindesvaters. Der muss sich schließlich ums Geschäft kümmern.

Der Herr Sohn

Immerhin: Bis vor kurzem hat sich im­mer alles nur um seinen Vater gedreht. Der – François Pinault – ist nämlich der viertreichste Mann Frankreichs und Milliardär Nummer 39 in der Forbes-Hitparade der wohlhabendsten Menschen der Welt. Laut aktuellen Schätzungen beläuft sich das Vermögen des Pinault-Clans auf die sagenhafte Summe von 11,4 Milliarden Euro. Sprössling François-Henri stand jedoch stets im Schatten des alten Herrn und wurde von seinen französischen Landsleuten liebevoll, aber doch etwas abschätzig nur als „fils de“ („Sohn des“) bezeichnet. Er musste nie auch nur einen Teller waschen, um Mil­lio­när zu werden, sondern hatte den Reichtum sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Und wahrscheinlich hätte er sein Leben lang keinen Finger zu rühren brauchen, obwohl sich seine Eltern schon voneinander ge­trennt haben, als er drei Jahre alt war und der kleine François-Henri bei seiner Mutter in der Bretagne aufwuchs. Milliardäre lassen ihre Söhne schon nicht verkommen. Doch der Patriarch François Pinault, Gründer des gigantischen Einzelhandels­kon­zerns Pinault-Printemps Redoute (PPR), hatte ganz andere Pläne für seinen Nach­kommen: Als der 17 war, schrieb ihn Pinault in eine der renommiertesten Privatschulen von Paris – das Gymnasium Stanislas – ein. Dort sollte er beginnen, sein nicht unmaßgebliches Erbe anzutreten.

Es folgte ein Besuch der Handelsschule HEC und dann der Einstieg in die väterliche Firma, wo François-Henri sich langsam hinaufarbeiten musste, etwa in der Reihenfolge, wie sein Vater das Unternehmen aufgebaut hatte. Seine ersten Erfahrungen sammelte er demnach in einem bretonischen Sägewerk, und der Aufstieg in die Direktionsetage war keineswegs beschlossene Sache. Der gestrenge Firmengründer setzte eine Kommission ein, die die Arbeit seines Sohnes permanent über­prüfte, um festzustellen, ob er sich für die höheren Weihen des Business eignete. Erst 2003 durfte Pinault jun. die Leitung der Holding Artémis übernehmen, die PPR kontrolliert. Zwei Jahre später wurde er dann Chef von Pinault-Printemps-Redoute und widmete sich (im Gegensatz zum Herrn Papa) auch den alltäglichen Manager-Aufgaben, weil er laut eigener Aussage nicht nur von oben überwachen, sondern die Geschäfte wirklich führen will. Und das nicht zuletzt – so meinen zumindest seine Kollegen –, um den Senior zu beeindrucken. „Franćois hat seinen Sohn systematisch überfordert“, sagt ein Freund der Familie. „Streng, aber ungerecht, sozusagen.“

Der Luxustitan

Größter heimischer Konkurrent der Pi­nault-Dynastie heißt Bernard Arnault und regiert das Imperium LVMH, dem Luxus­güter-Unternehmen wie Louis Vuit­ton, Gi­ven­chy, Kenzo, Marc Jacobs, Fendi, Donna Karan und Dior angehören. Gleich danach kommt Liliana Bettencourt, die reichste Frau Frank­reichs und Hauptanteilseignerin des Kos­me­tik­konzerns L’Oréal. Doch PPR befindet sich selbst angesichts dieser beachtlichen Konkurrenz auf einer schier unaufhaltsamen Aufholjagd. Fran­çois-­Henri Pinault ist mittlerweile Herr über die Edelmodemarken Gucci, Balenciaga, Yves Saint Laurent und Stella McCartney; außerdem gehören ihm der Lederwaren­hersteller Bottega Veneta, das traditionsreiche Auktionshaus Christie’s (das Pinault sen. 1998 für 683 Millionen Euro gekauft haben soll), das edle Weingut Château Latour, das Möbelhaus Conforama, die europaweit tätige Unterhaltungsmedienkette Fnac sowie das Versandhaus La Redoute. 2007 gelang Pinault mit dem Taschengeld von 5,4 Milliarden Euro die freundliche Übernahme des deutschen Sportbekleidungsherstellers Puma, an dem PPR nun 62,1 Prozent der Aktien hält.

Geld haben ist schön, solange man nicht die Freude an Dingen verloren hat,
die man mit Geld nicht kaufen kann.
Salvador Dalí

Doch François-Henri will nicht nur die Reichen und Schönen dieser Erde mit teurem Nachschub versorgen, sondern auch das gute Gewissen der Style-Branche werden. Der Mann, dem die amerikanische Mode­zeit­schrift W den Titel „Luxustitan“ verlieh, setzt neuerdings auf Öko-Korrektheit und nachhaltige Produktionsweise. „Luxusmarken müssen sich in Zukunft auch über ein ökologisch reines Gewissen empfehlen“, sagt Pinault. Da passt es ja bestens, dass seine wichtigste Modeschöpferin Stella McCartney engagierte Tierschützerin und Vegetarierin ist, bei ihren Kreationen prinzipiell weder Leder noch Pelz verarbeitet und ihre Mode als „vegan“ bezeichnet. Und natürlich auch, dass Gattin Salma Hayek sich aktiv für die UNICEF einsetzt. Aber auch François-Henri setzt sich aktiv für die Umwelt ein: Über PPR finanzierte er mit zehn Millionen Euro den Dokumentarfilm „Home“ des französischen Fotografen und Journalisten Yann Arthus-Bertrand, der mit bestechend schönen Luftaufnahmen und einem äußerst kritischen Kommentar den bedenklichen Zustand unserer Erde zeigt. Auch in Sachen Vertrieb bot „Home“ etwas Neues: Der Film wurde am 5. Juni 2009 – dem Welt-Umwelttag – gleichzeitig im Kino, im Fernsehen, auf DVD und im Internet veröffentlicht. So kam zum guten Zweck noch eine innovative Geschäftsidee, die den PPR-Konzern neue Vertriebsformen im digitalen Zeitalter abtesten ließ.

Der Kapitalist

In seiner Heimat nennt man François-Henri Pinault gern den Schattenmann, weil er öffentliche Auftritte lieber meidet, trotz Salma und Modewelt, und lieber im Hinter­grund die Fäden zieht. Der Fußballfan tritt ungern bei gesellschaftlichen Anlässen in Erscheinung, sondern lieber bei den Mat­ches seiner (ja, die gehört ihm wirklich) bretonischen Mannschaft Stade Rennais.

Und manchmal zieht er sich auch diskret in sein New Yorker Penthouse zurück, das er für 11,5 Millionen Dollar erworben hat, weil ein Unternehmer in Zeiten der Globalisie­rung natürlich auch in nächster Nähe der Wall Street vertreten sein muss. Stolz sind sie trotzdem auf ihn, die Fran­zosen. Aber beileibe nicht alle: Ende März 2009 hinderten mehrere Dutzend Mit­ar­beiter seiner Firmen das Taxi, in das Pinault nach einer Veranstaltung stieg, eine Stunde lang an der Abfahrt. Die aufgebrachten Angestellten, die um ihre Jobs fürchteten – der Konzern hatte kurz zuvor den Abbau von 1200 Stellen angekündigt – umrundeten das Fahrzeug und beschimpften ihren Boss mit den Worten „Pinault, du dreckiger Schuft!“ Der Megamanager blieb still im Taxi sitzen, las in irgendwelchen Papieren und tat so, als wäre nichts. Die Protestierer sind allerdings nicht die Einzigen, die sich Sorgen machen. Im Zuge der aktuellen Finanzkrise sind die Hersteller von Luxusgütern in ihrer Existenz bedroht und kämpfen ums Überleben. Selbst wohlhabende Kundinnen sparen und wollen für ein Prêt-à-porter-Sommerfähnchen keine 1500 Euro mehr ausgeben. Daher übt sich François-Henri Pinault derzeit in demütiger Einsicht: „Luxus gilt nur mehr in den Schwellenländern als Zeichen dafür, dass man es geschafft hat“, sagt er. „Wir müssen tatsächlich etwas anbieten, das in sich stimmig und von Dauer ist.“ Er tut gut daran, sich bald etwas zu überlegen. Sonst könnte es ihm noch wie den Managern von Caterpillar, Sony und 3M ergehen, die ebenfalls im Frühling 2009 von ihren Mitarbeitern mehr als 24 Stunden lang gefangen gehalten wurden, um damit gegen die Streichung ihrer Stellen zu protestieren…


Das Pinault-Luxusimperium

Die in Frankreich beheimatete, multinational agierende Holding-Gesellschaft PPR wurde 1963 von François Pinault gegründet und beinhaltet u. a. folgende Unternehmen:
Mode Gucci (und damit auch Sergio Ros­si, Boucheron, Bottega Veneta, Yves Saint Laurent, Alexander McQueen, Bédat & Co, Stella McCartney und Balenciaga)
Sportbekleidung und -schuhe Puma
Medien Fnac – Handelskette für Bücher, Tonträger und Unterhaltungselektronik in Frankreich, Belgien, der Schweiz, Grie­chen­land, Spanien, Portugal, Italien und Brasilien
Versandhaus Redcats & Redcats USA, mit den Unterfirmen La Redoute, Empire, Somewhere, The Golf Warehouse u. v. a.
Möbel Conforama
Wein Château Latour
Auktionen Christie’s